Vorwurf rechter Terror: Anklage gegen „Sächsische Separatisten“ erhoben
Sie übten Militärtrainings und sinnierten über ethnische Säuberungen: Die Bundesanwaltschaft klagt nun acht junge Rechtsextreme wegen Terrorplänen an.

Der Gruppe wird zudem die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens vorgeworfen – wie zuletzt auch der Reichsbürger-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß. Der Prozess gegen die „Separatisten“ soll vor dem Oberlandesgericht Dresden stattfinden. Dort wird nun über die Zulassung der Anklage entschieden.
Unter den Angeklagten ist der frühere Grimmaer AfD-Fraktionschef Kurt Hättasch, der auch Schatzmeister der sächsischen AfD-Parteijugend, der Jungen Alternative (JA), war und Mitarbeiter des AfD-Landtagsabgeordneten Alexander Wiesner. Ihm wirft die Anklage auch versuchten Mord vor, weil er bei seiner Festnahme mit einem geladenen und entsicherten Gewehr aus dem Haus trat – worauf ein Polizist schoss und ihn am Kiefer verletzte. Die Ermittlungen gegen den Polizisten wurden später wegen Notwehr eingestellt.
Zwei weitere Angeklagte, Kevin R. und Hans-Georg P., waren ebenso Teil des AfD-Kreisverbands. Die Männer hatten zuvor auch als „Bund Deutscher Maler“ (BDM – wie die NS-Vereinigung „Bund Deutscher Mädel“) in der Region Antifa-Graffitis übermalt. Im Juni 2024 tauchten Hättasch und Kevin R. auch auf einer Sonnenwendfeier von völkischen Gruppen und Neonazis im sächsischen Strahwalde auf.
Einschlägige Familiengeschichte
Als Gruppengründer und Anführer wird Jörg S. angeklagt, ein junger Rechtsextremist aus Brandis. Er soll die Trainings der Gruppe organisiert haben, das erste schon im Februar 2020. Jörg S. soll sich in einem internationalen Onlinenetzwerk junger Neonazis bewegt haben, dem „National Socialist Brotherhood“. Zu den nun Angeklagten gehört auch sein Bruder Jörn S. Ihre Familie ist politisch einschlägig: Der Großvater war bei der FPÖ, der Vater ist ein verurteilter Rechtsextremist, der früher ebenso paramilitärische Übungen organisierte.
Insgesamt sollen die „Sächsischen Separatisten“ bis zu 20 Mitglieder gehabt haben. Die Anklage wirft ihnen vor, eine „tiefe Ablehnung“ der demokratischen Grundordnung in Deutschland geteilt zu haben und einer rassistischen und antisemitischen Ideologie gefolgt zu sein. Wohl nicht zufällig kürzt sich der Gruppenname mit „SS“ ab, wie die „Schutzstaffel“ des NS-Regimes.
Einen Umsturz soll die Gruppe nicht aktiv betrieben haben, sich aber für den Zeitpunkt eines solchen vorbereitet haben. Für diesen Fall sollten laut Anklage große Gebiete Sachsens erobert werden, um dort ein NS-ähnliches Herrschaftsgebiet zu errichten. Hierzu sei auch die Liquidierung von aktuellen staatlichen Vertretern vorgesehen gewesen, so die Bundesanwaltschaft.
Vier Jahre lang sollen die Rechtsextremen dafür Trainings in Wäldern oder auf einem verlassenen Flugplatzgelände bei Grimma abgehalten haben. Geübt wurde Häuserkampf, auch habe es Nacht- und Gewaltmärsche gegeben. Auf Schießständen in Deutschland, Polen und Tschechien wurde der Umgang mit Waffen eingeübt. Auch Ausrüstung sollen die Rechtsextremen sich bereits gesorgt haben: scharfe Munition, Messer, Tarnanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten.
Erster Hinweis soll vom FBI gekommen sein
Der Hinweis auf die Gruppe soll ursprünglich vom US-amerikanischen Geheimdienst FBI gekommen sein. Ein dortiger Agent soll Teil einer Chatgruppe gewesen sein, in der auch der mutmaßliche „Separatisten“-Anführer Jörg S. aktiv war.
Die Verteidiger der Rechtsextremen hatten die Vorwürfe zuletzt als völlig überzogen zurückgewiesen. Der Szeneanwalt Martin Kohlmann, auch Anführer der rechtsextremen „Freien Sachsen“, sprach gegenüber der taz von einer „Wandergruppe mit Hang zu Survivaltrainings“. Auch der Angeklagte Kurt Hättasch gibt sich in einem öffentlichen Hafttagebuch als Unschuldiger: Die Vorwürfe seien „lächerlich und widersprüchlich“. Außer im Falle von Selbstverteidigung lehne er Gewalt ab.
Politisch war Hättasch bis zu seiner Festnahme umtriebig. Neben seinem AfD-Engagement hatte er in Grimma mit dem Mitbeschuldigten Kevin R. auch eine Immobilie in Bahnhofsnähe gekauft und saniert. Sie bekamen dafür ein Darlehen von 100.000 Euro vom ehemaligen Berliner Finanzsenator Peter Kurth (CDU), der die beiden über Burschenschaftskontakte kennt.
Hättasch hat auch Kontakt zum neurechten Vordenker Götz Kubitschek. Mit anderen nun Angeklagten posierte er auch mit dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke auf einer Kundgebung im Mai 2022 in Grimma. Die AfD initiierte gegen die drei Beschuldigten nach eigener Auskunft direkt nach der Festnahme ein Parteiausschlussverfahren. In der Partei kritisierten einige die Vorwürfe gegen die Angeklagten aber auch als überzogen.
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