Vorwürfe gegen Tschechiens Premier: Leben wie Babiš in Frankreich
Recherchen investigativer Journalisten zeigen, wie Tschechiens Regierungschef mit Briefkastenfirmen ein Schloss bei Cannes erwarb. Nun sind Wahlen.
Vor knapp zehn Jahren, 2012, eröffnete Tschechiens jetziger Regierungschef Andrej Babiš hier sein Luxusrestaurant Paloma, das es innerhalb kurzer Zeit zu immerhin zwei Michelinsternen brachte. Dass die Sterne allein Andrej Babiš nicht reichen würden, sondern es noch mindestens ein Traumschloss dazu brauchte, verwundert in Tschechien kaum jemanden. Die Pandora Papers sorgen in dem Land für weniger Aufregung als anderswo, Offshore-Investitionen werden hier oftmals als Kavaliersdelikt wahrgenommen.
Recherchen eines internationalen Medienkonsortiums, die am Sonntagabend unter dem Namen Pandora Papers veröffentlicht wurden, legen offen, dass Andrej Babiš im Jahre 2009 insgesamt 15 Millionen Euro in Immobilien an der französischen Riviera investierte. Über drei verschachtelte Briefkastenfirmen, die von Strohmännern auf Steueroasen geleitet wurden, kaufte er demnach in dem malerischen Örtchen das Schloss Bigaud.
Laut Kaufvertrag vom 25. September 2009 soll der Käufer, die monegassische Firma SCP Bigaud, die nur wenige Wochen zuvor gegründet worden sei, für das Chateau 14 Millionen Euro in bar gezahlt haben. Kurz habe die Firma ein Darlehen von 15 Millionen Euro von der Blakey Finance Ltd. mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln erhalten.
Dieses wiederum beruhte laut der Recherche auf einem Darlehensvertrag zwischen der Blakey Finance und einer Boyne Holding mit Sitz in Washington, zu der die monegassische SCP Bigaud gehört. Wie die Pandora Papers jetzt offenlegen, laufen sämtliche Verstrickungen aller drei Firmen aus Monaco, den Britischen Jungferninseln und Washington im mittelböhmischen Pruhonice zusammen: bei Andrej Babiš.
Der vermutet, dass sich hinter den Pandora Papers eine internationale Kampagne gegen ihn verbirgt, die zum Ziel hat, die Wahlen zum tschechischen Abgeordnetenhaus zu beeinflussen, die am kommenden Freitag und Samstag stattfinden werden.
„Eine Mafia“, wütete Babiš bei einer Wahlkampfdiskussion am Sonntagabend im tschechischen Fernsehen, kurz nachdem die Enthüllungen bekannt geworden waren.
Den Einwand der Moderatorin, bei den Pandora Papers handele es sich um ein internationales Projekt, dessen Zeitpunkt der Veröffentlichung von 600 Journalistinnen und Journalisten weltweit abgestimmt wurde, wischte er bei Seite. Eine „Mafia“ habe ihm schon seinerzeit einen Besuch in den USA verdorben, indem sie am Tag vor seiner Anreise Unwahrheiten über ihn in den Medien verbreiten ließ, sagte Babiš.
Vorwürfe vom politischen Gegner
Neben der Konspirationstheorie pocht Babiš auch auf die Tatsache, dass ihm durch die Enthüllungen der Pandora Papers keine illegalen Geschäfte nachgewiesen werden. Zwar habe er sich vor zwölf Jahren selbst Geld geliehen. Aber das Geld, so beharrt Babiš, war rechtmäßig versteuert.
„Ich besitze keine Offshore-Aktien, ich besitze keine Immobilien in Frankreich. Ich habe das Geld von einer tschechischen Bank als Darlehen geschickt, es war versteuert und das Geld wurde zurückgezahlt, bevor ich in die Politik bin“, erklärte Babiš in einer Online-Debatte des tschechischen Webportals idnes, das ins Portofolio der Agrofert-Holding gehört, die Andrej Babiš nach der Wende aufgebaut hat.
Bleibt die Frage: Wenn alles rechtens und versteuert war, warum regt sich der tschechische Regierungschef so auf?
„Babiš lügt die Leute die ganze Zeit an“, schimpft Ivan Bartoš, Vorsitzender der konkurrierenden Piratenpartei, auf Facebook. Das Ganze riecht nach Geldwäsche, meint der 40-Jährige mit den Dreadlocks, der in diesen Wahlen als einer der schärfsten Konkurrenten Andrej Babiš und seiner ANO-Bewegung zählt. Zusammen mit der Bürgermeister-Partei Stan haben die Piraten ein Wahlbündnis gebildet, das sich vor allem das politische Ende von Babiš auf die Fahnen geschrieben hat.
Babiš führt in den Umfragen
Aktuellen Hochrechnungen zufolge könnten dieses Wahlbündnis Juniorpartner der Opposition werden. Mit einem Stimmanteil von 19,4 Prozent würde es auch in der geplanten Koalition mit einem weiteren Anti-Babiš-Bündnis namens Spolu (Zusammen) nicht auf die Regierungsbänke reichen. Spolu liegt in den Prognosen derzeit mit 20,9 Prozent auf dem zweiten Platz.
Ganz vorne thront Andrej Babiš und seine ANO-Bewegung mit 25,2 Prozent. Potenzielle Koalitionspartner hat Babiš in der rechtspopulistischen SPD (10,1 Prozent) oder der neuen Law-and-Order-Partei Přísaha (Eid) des ehemaligen Elitepolizisten Robert Slachta.
Selbst wenn die Ermittlungen, die die tschechische Antikorruptionseinheit jetzt aufgrund der Pandora Papers eingeleitet hat, im Sande verlaufen oder sich wie im Fall Storchennest zu verschleppen drohen, sind hier auch die USA und Frankreich auf dem Plan. Sollte in diesen Ländern nun gegen Babiš ermittelt werden, könnte sich seine Macht als Regierungschef empfindlich verringern.
Das Luxusrestaurant Paloma zumindest hat Babiš schon vor zwei Jahren aus Mougins ins heimische Pruhonice verlegt, nachdem es in Frankreich Millionenverluste eingefahren hatte.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart