Vorwürfe gegen Eiskunstlauftrainer: Druck von allen Seiten
Die Aufklärung der Vorwürfe gegen den umstrittenen Trainer Karel Fajfr kommt nur langsam voran. Er selbst bestreitet die Anschuldigungen nach wie vor.
Die Deutsche Eislauf-Union DEU ist dabei, die Vorwürfe ihres früheren Kadersportlers Isaak Droysen, 19, gegen seinen ehemaligen Trainer Karel Fajfr, 75, aufzuarbeiten. Der Sportler hatte dem Oberstdorfer Trainer vorgeworfen, ihn im Training physisch und psychisch angegriffen zu haben. Eine Beauftragte des Sportverbands für Safe Sport hat dazu die Betroffenen selbst und weitere Personen am Bundesstützpunkt Oberstdorf befragt.
Fajfr selbst bestreitet die Vorwürfe nach wie vor. „Es liegen sowohl für die eine wie die andere Seite stützende Aussagen vor, die jedoch noch keine abschließende Bewertung zulassen“, heißt es in einer Erklärung des Sportverbands, die seit letzter Woche auf seiner Homepage steht.
Allerdings hat sich die DEU schwer damit getan, die Erklärung überhaupt zu veröffentlichen. Isaak Droysen sagt der taz, dass die Beauftragte für Safe Sport bereits zwei Wochen vor der Veröffentlichung ihm gegenüber die erarbeitete Erklärung angekündigt hätte: „Die müsste lediglich noch durch einen Anwalt geprüft werden, hieß es.“ Wenige Stunden, nachdem die taz nach der nach ihren Recherchen fertigen, aber unveröffentlichten Erklärung fragte, stand diese auf der DEU-Homepage.
Grund der Verzögerung sind nach taz-Recherchen unterschiedliche Positionen innerhalb der DEU, die zu einer Lähmung geführt hatten. Fajfr hat als erfolgreicher Trainer auf der einen Seite viele Anhänger, wegen seiner harten Trainingsmethoden aber auch Kritiker, und beide Seiten üben Druck auf den Verband aus, die Vorwürfe entweder als unglaubwürdig abzuhaken und den Sportler, der sie erhebt, für unglaubwürdig zu erklären, oder aber Fajfr aus den Eishallen zu verbannen. Eine offizielle Bestätigung der DEU dafür gibt es nicht, sie ließ eine taz-Anfrage unbeantwortet. Aussagen, die ein Anwalt hätte prüfen müssen, stehen nicht in der Erklärung.
Allerdings stehen dort Vorhaben zur Prävention von Gewalt im Sport. Dazu hatte die DEU ein Beratungsgespräch mit dem DOSB, unter dessen Dach sie fungiert, wie dessen Sprecherin Ulrike Spitz der taz sagte. Beide Seiten seien sich einig, so Spitz, dass „das Thema Schutz vor körperlicher und psychischer Gewalt im deutschen Sport von hoher Relevanz ist. Vor allem aber ist es eine dauerhafte Aufgabe, eine Kultur des Hinsehens und des Respekts zu etablieren.“
Die DEU plant darum nach eigenen Angaben an allen Bundesstützpunkten Schulungen für SportlerInnen, TrainerInnen und Eltern und ermutigt diese zu Zivilcourage und zur Aufklärung der Vorwürfe im konkreten Fall.
Droysen nicht der einzige Sportler
Im Fall Karel Fajfr gibt es seit Jahren eine Differenz zwischen der DEU und dem DOSB. Der DOSB nimmt den Oberstdorfer seit seiner Rückkehr in den Trainerberuf im Jahr 2002 nicht mit zu Olympischen Spielen, auch nicht, als seine Eislaufschüler sich dazu qualifizierten. Grund ist ein Urteil des Landgerichts Stuttgart aus dem Jahr 1995. Dort wurde Fajfr zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und drei Jahren Berufsverbot verurteilt wegen Misshandlung und sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen sowie Körperverletzung.
Die DEU hingegen ist der Meinung, er habe seine Strafe verbüßt und eine zweite Chance verdient und gewährt ihm die Teilnahme an Wettkämpfen und Meisterschaften, bei denen sie über die Entsendung von Sportler und Trainer entscheidet.
Glaubt man Recherchen der Main-Post, dann ist Isaak Droysen allerdings nicht der einzige Sportler, der neue Vorwürfe gegen Karel Fajfr erhebt. Der Regionalzeitung zufolge liegen der DEU seit Wochen Vorwürfe einer ehemaligen Fajfr-Schülerin vor. Das deckt sich mit vagen Andeutungen von Florian Kuiper vom Deutschen Skiverband gegenüber der taz, wonach das Oberstdorfer Skiinternat, in dem auch Eiskunstläuferinnen und Eiskunstläufer wohnen, seit Vorwürfen, die etwa zwei Jahre alt sind, keine Fajfr-Schüler mehr aufnimmt. Weder die DEU noch Karel Fajfr äußern sich dazu gegenüber der taz.
Die DEU hat allerdings neben der Prävention und Sensibilisierung aller Akteure in Eislaufhallen wenig Möglichkeiten, bei Gewaltvorwürfen zu reagieren. Der Grund: Die meisten Eiskunstlauftrainer sind Freiberufler. Weder der finanziell klamme Verband noch die finanziell ähnlich klammen Vereine können es sich leisten, Trainer für alle Leistungssportler fest anzustellen. Mit Freiberuflern sparen sie Geld. Den Löwenanteil der Trainerhonorare müssen die Eltern der Kufenkünstler zahlen.
Ulrike Spitz, DOSB-Sprecherin
Allerdings sind die Eltern dann auch Vertragspartner der Trainer und nicht der Verband oder Verein. Weil die DEU kein Vertragspartner ist, kann sie Fajfr auch nicht die Trainertätigkeit untersagen. Lediglich die Teilnahme an Schulungen des Verbands und an Wettkämpfen kann sie verhindern. Dazu läuft am Standort Oberstdorf und DEU-intern eine erbitterte Debatte mit offenem Ausgang. Denn Fajfr ist ein Erfolgstrainer, der viele Fans unter Sportlern, Eltern und Vereinsfunktionären hat. Aber auch Gegner.
Auch ein Hallenverbot in den Oberstdorfer Eishallen für Fajfr ist nicht möglich. Die Eishallen gehören den Sportstätten Oberstdorf, also einem kommunalen Träger. Der ist seinem Leiter Hans-Peter Jokschat zufolge an Gesetze gebunden und kann darum keine Sanktionen gegen jemanden aussprechen, gegen den die Staatsanwaltschaft lediglich ein Vorermittlungsverfahren führt. Da gilt die Unschuldsvermutung. Ob es aber zu einer Anklage oder gar zu einem Urteil gegen Fajfr kommen wird, ist völlig offen.
Nachtrag:
Herr Karel Fajfr wurde am Montag, 08.02.2021, vom Amtsgericht Sonthofen wegen des verbliebenen Vorwurfs, er habe Herrn Droysen einmal geohrfeigt, freigesprochen.
Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Herrn Fajfr wegen der weiteren Vorwürfe von Herrn Droysen (Schläge auf Arme, Beine, Rücken und ins Gesicht) wurde zuvor von der Staatsanwaltschaft mangels Tatverdachts eingestellt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken