Vorstoß von Ferda Ataman: Angriff auf die Kirchenklausel
Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman stellt sich gegen die Ausnahmen für Kirchen im Arbeitsrecht. Die Regelung begünstige Diskriminierung.
Zwar hat die Deutsche Bischofskonferenz erst am Dienstag beschlossen, Reformen im kirchlichen Arbeitsrecht anzustoßen. Allerdings gehen diese Schritte Ataman nicht weit genug.
Es sei überfällig, dass sich die katholische Kirche nicht mehr in das Privatleben ihrer Mitarbeiter*innen einmischen wolle, sagte die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes. Allerdings enthalte auch diese neue Grundordnung noch zu viele Ausnahmen. „So kann zum Beispiel eine Krankenpflegerin, die in einem kirchlichen Krankenhaus arbeitet, immer noch ihren Job verlieren, wenn sie aus persönlichen Gründen aus der Kirche austritt“, sagte Ataman.
Für sie ist dies ein Eingriff in die Rechte der Beschäftigten und ein Einfallstor für Diskriminierungen. Ataman will daher die im AGG festgeschriebene Kirchenklausel beschränken und Anforderungen an die Religionszugehörigkeit oder an die Lebensweise von Mitarbeiter:innen nur noch im engsten Verkündungsbereich zulassen.
800.000 Beschäftigte allein bei katholischer Kirche
Über die geltende Ausnahmeregelung ist es bisher etwa möglich, dass die Kirchen die Religionszugehörigkeit zum Einstellungskriterium machen können. Gilt dies für die Pfleger:in? Für die Erzieher:in? Für Ärzt:innen in den kirchlichen Krankenhäusern? Oder sind dies Kriterien, die vor allem wichtig sind für Kirchengremien, im Pfarr- oder Messdienst? Dass die Sonderregelung immer noch angewendet wird, ist zunehmend umstritten.
Am Dienstag hatte die Vollversammlung des Verbands der Diözesen Deutschlands eine Neufassung des kirchlichen Arbeitsrechts beschlossen. Damit gilt für rund 800.000 Mitarbeiter:innen der katholischen Kirche in Deutschland, dass eine gleichgeschlechtliche Ehe oder eine neue Hochzeit nach der Scheidung kein Grund mehr für eine Kündigung sind. Der Beschluss muss von jedem Bistum einzeln umgesetzt werden, damit er greift.
Die Grünen im Bundestag begrüßten den „wichtigen Schritt hin zu einem inklusiven, fairen und zeitgemäßen Arbeitsrecht“. Die religionspolitische Fraktionssprecherin Lamya Kaddor warnte jedoch davor, dass der Vorwurf sogenannter kirchenfeindlicher Betätigung weiterhin einen Möglichkeit biete, um Mitarbeiter:innen „für ihre persönliche Lebensführung zu sanktionieren“: Pascal Meiser von der Linken forderte, „die umfassende Geltung des individuellen Arbeitsrechts genauso sicherzustellen wie der betrieblichen Mitbestimmung“.
Die beiden christlichen Kirchen zählen zu den größten Arbeitgebern in Deutschland, insbesondere im Pflege- und Erziehungsbereich. „Der Schutz der Mitarbeitenden vor jeglicher Form von Diskriminierung muss selbstverständlich und für alle Beschäftigen in Deutschland gleich sein“, so Ataman. Ausnahmeregelungen, die noch dazu Diskriminierungen möglich machten, seien nicht nachvollziehbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen