Vorstandswahl IG Metall: „Unser Jahr hat 365 Frauentage“
Mit der 55-jährigen Christiane Benner wählte die Gewerkschaft IG Metall erstmals eine Frau an ihre Spitze. Selbstverständlich war das nicht.
Eine Ergriffenheit war dem sonst eher etwas unterkühlt wirkenden Heidelberger Gewerkschafter anzusehen. Ohne Zweifel: der Gewerkschaftstag der IG Metall hat am Montag Geschichte geschrieben. Mit einer überwältigenden Mehrheit von 96,4 Prozent wählten die rund 420 Delegierten Christiane Benner zur neuen Ersten Vorsitzenden.
Eine Frau an der Spitze einer Industriegewerkschaft hat es in Deutschland noch nie gegeben. Walter, Otto, Eugen, Franz, Klaus, Jürgen, Berthold, Detlef, Jörg und zweimal Hans – diese Vornamen trugen die Vorsitzenden seit der Gründung der IG Metall 1949. Nun ist zum ersten Mal ein weiblicher Vorname hinzugekommen.
Zuvor hatte Benner eine kämpferische Bewerbungsrede gehalten. „Dieses Land braucht eine starke IG Metall gerade jetzt, wo wir klare Kante zeigen müssen für Arbeit, für Zukunft und gegen Rechts“, sagte die 55-Jährige. „Wir befinden uns mitten im größten Umbau unserer Industrie seit 100 Jahren“, so Benner. Alleine deswegen schon bräuchte es „mehr Mitbestimmung bei der strategischen Ausrichtung der Unternehmen“.
Nadine Boguslawski ist ebenfalls im Führungsteam
Schon ihre Wahl zur Zweiten Vorsitzenden 2015 war eine kleine Revolution, denn auch diese Position hatte vor ihr noch nie eine Frau inne. Obwohl nach den ungeschriebenen Regeln der IG Metall der Zweite irgendwann Nachfolger des Ersten wird, war das im Fall Benner lange Zeit nicht sicher.
Schon auf dem damaligen Gewerkschaftstag wurde hinter vorgehaltener Hand getuschelt, die mächtigen Bezirksleiter – bis heute ausschließlich Männer – und auch Hofmann arbeiteten an einer anderen Lösung, schließlich bräuchte man doch weiterhin einen „erfahrenen Tarifverhandler“ an der Spitze. Auch nach ihrer Wiederwahl 2019 verstummten die Stimmen nicht.
Tatsächlich hätte nicht nur Hofmann gerne den baden-württembergischen Bezirksleiter Roman Zitzelsberger als seinen Nachfolger gesehen. Doch sein Versuch, Benner als Nachfolgerin von Reiner Hoffmann 2022 zum DGB abzuschieben und so den Weg für Zitzelsberger freizumachen, ging schief. Benner winkte dankend ab. Der anschließende Plan, per Satzungsänderung eine Doppelspitze zu schaffen, um dadurch wenigstens Zitzelsberger gleichberechtigt an die Seite Benners zu platzieren, schlug ebenfalls fehl.
Die gebürtige Aachenerin fand 1988 zur IG Metall. Damals absolvierte sie eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin bei dem Darmstädter Maschinenbauer Carl Schenck, für den sie anschließend als Vertriebsmitarbeiterin und im Betriebsrat tätig war. Von 1993 bis 1999 studierte sie Soziologie. Schon in der Schlussphase des Studiums begann ihre hauptamtliche Gewerkschaftskarriere, die sie von der Projektsekretärin in der Verwaltungsstelle Frankfurt bis in den geschäftsführenden Bundesvorstand der IG Metall führte.
Das war 2011 – und nicht geplant. Denn eigentlich hatte die jetzt beschlossene Verkleinerung des geschäftsführenden Vorstands von 7 auf 5 schon damals stattfinden sollen, und daher waren auch nur fünf Kandidaten nominiert worden. Anders als diesmal fand sich auf dem damaligen Gewerkschaftstag dafür keine satzungsändernde Mehrheit. So mussten noch schnell zwei weiterere Kandidat:innen gefunden werden – und das waren ausgerechnet Benner und Jürgen Kerner – jene beiden, die jetzt an die Spitze gerückt sind.
Die Wahl des 54-jährigen gelernten Informationselektronikers zum Zweiten Vorsitzenden wurde allerdings überschattet von einem Zwischenfall: Ein Delegierter aus Nordrhein-Westfalen brach mitten im Wahlgang zusammen, musste notärztlich behandelt und dann ins Krankenhaus gebracht werden. Der Kongress wurde für rund zwei Stunden unterbrochen. Schließlich wurde Kerner mit 95,6 Prozent gewählt.
Das neue Führungsteam der IG Metall wird komplettiert von der 45-jährigen neuen Hauptkassiererin Nadine Boguslawski, dem 57-jährigen Ralf Reinstädtler, der ebenfalls neu dem Vorstand angehört, sowie dem 62-jährigen Hans-Jürgen Urban, der bereits seit 2007 dabei ist. Der Gewerkschaftstag beschloss zudem, dass künftig einer der beiden Vorsitze von einer Frau besetzt werden muss.
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