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Vorstandsmitglied über Landesfrauenrat„Wir haben noch viele Baustellen“

Seit 75 Jahren gibt es den Landesfrauenrat Hamburg. Christina Maria Huber über Erfolge, Konflikte und warum es die Kategorie „Frau“ noch braucht.

Auch in der Hamburger Bürgerschaft gibt es noch keine Parität. Hier eine Demonstration in Baden-Württemberg Foto: Marijan Murat/dpa
Interview von Anna Lindemann

taz: Braucht es politisch die Kategorie „Frau“ heute überhaupt noch, Frau Huber?

Christina Maria Huber: Ja, wir brauchen sie meiner Meinung nach, damit wir sie abschaffen können. Das Ziel ist es natürlich, dass es keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern mehr gibt und wir deshalb auch nicht mehr über sie reden müssen. Aber da sind wir leider noch nicht. Wenn wir in der Politik schon jetzt auf die Kategorie „Frau“ verzichten, können wir Diskriminierung nicht mehr sichtbar machen.

Wo findet diese Diskriminierung heute statt?

Mittlerweile stehen wir gesetzlich natürlich deutlich besser da als noch vor 75 Jahren. Aber wir haben noch immer sehr viele Baustellen. Dazu gehört zum Beispiel eine große Lücke in der Frauengesundheitsforschung, ungleiche Aufteilung von Fürsorgearbeit – und Gewalt gegen Frauen. Und noch immer ist die Hamburger Bürgerschaft nicht paritätisch besetzt und Frauen verdienen hier im Schnitt 21 Prozent weniger.

privat
Im Interview: Christina Maria Huber

42, Beraterin, ist seit 2021 Mitglied im Vorstand des Landesfrauenrats Hamburg. Dort setzt sie sich unter anderem für gendersensible Sprache ein.

Was wollen Sie da als erstes angehen?

Als Dachverband können wir natürlich viele Themen abdecken. Für 2024 haben wir aber inhaltlich zwei Projekte im Fokus. Bei dem einen geht es um gendersensible Sprache. Der Diskurs darum öffnet momentan viele Türen nach rechts. Da wollen wir gegenhalten und uns für eine inklusive Sprache stark machen. Das zweite sind feministische Mobilitätsprojekte, die wir in Hamburg vorantreiben wollen.

Was kann man sich darunter vorstellen?

Unser öffentlicher Nahverkehr ist zum Beispiel sehr stark drauf ausgerichtet, dass Menschen vom Stadtrand zur Arbeit in die Stadt kommen. Das sind mehrheitlich Männer. Frauen, die mehr Fürsorgearbeit übernehmen, müssen aber noch zur Kita, zum Einkaufen oder zur Oma. Darauf sind unsere Mobilitätskonzepte nicht ausgerichtet und das wollen wir ändern.

Ihre Mitgliedsverbände haben ganz unterschiedliche Schwerpunkte. Wie schafft man es, da zusammenzuarbeiten?

Wir haben alle einen gemeinsamen Nenner: Wir wollen Gleichberechtigung und Selbstbestimmung für alle Geschlechter. Aber natürlich gibt es unterschiedliche Vorstellungen davon, wie das aussieht. Wir treffen uns einmal im Monat mit allen Mitgliedern und versuchen, gemeinsame Positionen auszuloten. Im Zweifel müssen wir aber auch aushalten, dass es die nicht gibt.

Bei welchen Themen gibt es intern Konflikte?

Wie in vielen feministischen Verbänden ist die Debatte ums Kopftuchverbot und die Frage, wie man politisch mit Sexarbeit umgeht, bei uns besonders heikel. Auch das Selbstbestimmungsgesetz hat Kontroversen ausgelöst.

Gibt es deshalb keine Mitgliedervereine, die Interessen von trans Frauen vertreten?

In der Vergangenheit gab es tatsächlich wenig Bemühungen, Vereine für trans Frauen anzuwerben. Ich persönlich fände es sehr wichtig, dass sich das ändert: Jede Perspektive, die unseren Blick für verschiedene Lebensrealitäten schärft, ist ein Gewinn. Zur Wahrheit gehört aber auch: In der Mitgliederschaft gibt es dazu keine Einigkeit. Und auch wenn der Vorstand eine klare Meinung hat, kann er sich nicht über seine Mitglieder hinwegsetzen.

Was waren in den vergangenen Jahrzehnten Erfolge des Landesfrauenrats?

75 Jahre Landesfrauenrat

Zum Jubiläum würdigt der Hamburger Senat die Errungenschaften des Landesfrauenrats für die Gleichstellung mit einem Empfang im Rathaus am 8. März.

Insgesamt 60 Verbände sind Mitglied im Landesfrauenrat. Der Dachverband ist damit die größte Frauenlobby Hamburgs.

Der Vorstand besteht aus sieben Mitgliedern, alle arbeiten ehrenamtlich für den Verband.

Ein großer Erfolg war, als Hamburg 1979 Eva Rühmkorf als die erste Gleichstellungsbeauftragte benannt hat. Da war die Stadt deutschlandweit Vorreiter. Auch das erste gleichstellungspolitische Rahmenprogramm 2013 haben wir eng begleitet. Das soll sicherstellen, dass gleichstellungspolitische Fragen von allen Behörden mitgedacht werden.

Seit wann gibt es in Hamburg überhaupt Zusammenschlüsse von Frauenvereinen?

1916 hat sich der Stadtbund Hamburgischer Frauenvereine gegründet, damals schon mit 46 Mitgliedervereinen. Dort waren auch bekannte Aktivistinnen wie Helene Lange und Emmy Beckmann aktiv. Mit der Machtübernahme der Na­tio­nal­so­zia­lis­t*in­nen 1933 hat sich der Bund allerdings selbst aufgelöst.

Wie ging es nach dem Zweiten Weltkrieg weiter?

1949 haben wir uns neu gegründet, also im gleichen Jahr, in dem das Grundgesetz verabschiedet wurde. Das heißt, auch die Gleichstellung von Männern und Frauen war in der Verfassung festgeschrieben. Das ist ein wichtiger Teil unserer DNA: Wir pochen seit 75 Jahren immer wieder auf die tatsächliche Umsetzung von Artikel drei. Dafür sind wir immer im Austausch mit Politik und Verwaltung.

Welche Themen waren zu Gründungszeiten des Landesfrauenrats in Hamburg wichtig?

Hamburg war schon immer eine reiche Stadt, anfänglich ging es deshalb viel um die wirtschaftliche Stellung der Frau. Die Probleme waren natürlich andere als heute: Damals durften verheiratete Frauen kein eigenes Konto haben. In Führungspositionen waren sie erst recht nicht.

Wie halten Sie Ihre 75-jährige Geschichte fest?

Dafür verwalten wir das „FrauenStadtArchiv“. Das wurde gegründet, um die Geschichte der Hamburger Frauenbewegung zu dokumentieren und aufzuarbeiten. Dazu gehören zum Beispiel Korrespondenz, Veranstaltungsprogramme von Fachtagungen oder Fotos von Demonstrationen. Im Hamburgischen Staatsarchiv gibt es leider keinen Schwerpunkt auf die Hamburger Frauenbewegung, da wäre vieles verloren gegangen.

Glauben Sie, dass wir echte Gleichstellung erreichen können?

Wir müssen trotz einigen Rückwärtsbewegungen zumindest optimistisch sein, dass wir etwas erreichen können. Ansonsten wäre das ein ziemlich trauriges Ehrenamt. Vor allem, wenn ich mit jungen Menschen spreche, werde ich hoffnungsvoll: Die gendern oft ganz selbstverständlich und gehen davon aus, dass Frauen Führungspositionen übernehmen sollen.

Kommen wir dann in 75 weiteren Jahren ohne Landesfrauenrat aus?

Ich glaube nicht. Vielleicht heißt unser Verein dann anders, wahrscheinlich hat er andere Schwerpunkte. Aber eine wachsame Zivilgesellschaft, die auf Gleichstellung achtet, wird es immer brauchen.

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5 Kommentare

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  • "Hier" läßt sich ebensogut als Hamburg lesen.

  • Die weiblich gelesenen Abgeordnet:innen in der Hamburger Bürgerschaft bekommen



    21 Prozent geringere Diäten als Männer ?

    • @Wolzow:

      Ganz bestimmt nicht.

      Von der Messung des Gender-Pay-Gap sind nämlich alle in der öffentlichen Verwaltung aus. (Zitat aus der destatis-Seite zur Erhebungsmethodik: Die Berechnung orientiert sich an der einheitlichen Definition nach Eurostat. Demnach werden alle Wirtschaftszweigabschnitte von B bis S in die Berechnung einbezogen, ausgenommen der Wirtschaftszweig O ("Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung"))

      Nach Studie des Familienministeriums betrug der unberenigte Gender-Pay-Gap 2007-2008 in der Privatwirtschaft 22,6% und im öffentlichen Dienst 7,0%

    • @Wolzow:

      Googlen Sie mal zum Paygap:



      Es wird nicht einberechnet, wer Vollzeit und wer Teilzeit arbeitet. Frauen arbeiten mehr Teilzeit.

    • @Wolzow:

      Die Angestellten, nehme ich an, was an unterschiedlicher Einstufung liegen dürfte. Und letztere ist beileibe nicht automatisch objektiv gegeben - ich sage nur Leichtlohngruppen. Öffentliche Verwaltungen sind da oft keine leuchtenden Vorbilder. Die Stadt Birmingham hat vor einigen Jahren einen massiven Class-Action-Prozeß verloren, weil dort Frauen systematisch in der Einstufung benachteiligt wurden. Also z.B. Müllarbeiter (die inzwischen kaum noch schwer heben müssen) einen Zuschlag für schwere körperliche Arbeit erhielten, nicht aber Krankenschwestern (die dasselbe ständig tun.)