Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung: Minister wird Stiftungschef
Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Jan Philipp Albrecht soll Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung werden. Der Wechsel ist eine Überraschung.
Imme Scholz ist Soziologin und stellvertretende Direktorin des Deutschen Institut für Entwicklungspolitik. Der Aufsichtsrat der Böll-Stiftung will der Mitgliederversammlung die beiden Besetzungen im Dezember vorschlagen. Das habe er in seiner Sitzung am 24. Oktober beschlossen, heißt es in einem Schreiben der beiden SprecherInnen des Aufsichtsrats, das der taz vorliegt.
Die Amtszeiten der beiden aktuellen Vorstände, Barbara Unmüßig und Ellen Ueberschär, enden turnusgemäß Ende März 2022. Unmüßig geht in Rente. Ueberschär will nicht mehr antreten. In einer Mail an die MitarbeiterInnen der Stiftung, die der taz ebenfalls vorliegt, begründete sie diese Entscheidung am Montag mit persönlichen Gründen. „Die Stiftung steht heute sehr gut da und an einem wichtigen Punkt“, schrieb Ueberschär, denn die Grünen übernähmen Regierungsverantwortung.
Die Böll-Stiftung liefert als Denkfabrik intellektuelle Vorlagen für grüne Politik. Ihre Arbeit war in Grünen-Kreisen zuletzt nicht unumstritten. Zur Amtseinführung von Joe Biden als US-Präsident veröffentlichte Ueberschär zusammen mit VertreterInnen von transatlantischen Thinktanks einen Aufruf, der bei den Grünen für Aufruhr sorgte. Es ging unter anderem um Atomwaffen, ein hochemotionales Thema.
Widerspruch zur Parteilinie
Der nukleare Schutzschirm der USA sei für alle nicht-nuklearen NATO-Staaten in Europa unverzichtbar, hieß es in dem Aufruf. Es solle ihn geben, solange es Nuklearwaffen gebe und die Bedrohung anhalte. Deutschland müsse an der „Nuklearen Teilhabe festhalten und nötige Modernisierungsschritte umsetzen“.
Das heißt: US-Atomwaffen sollen weiterhin und unbefristet in Deutschland lagern. Ueberschärs Vorstoß verstörte viele in der Ökopartei, auch, weil er mit der offiziellen Parteilinie nichts zu tun hat. In ihrem Grundsatzprogramm fordern die Grünen ein Deutschland „frei von Atomwaffen“. Allerdings verteidigten auch wichtige Grüne die Böll-Chefin mit dem Argument, eine Stiftung müsse frei im Denken sein können.
Dass Albrecht nun Stiftungschef werden soll, ist ungewöhnlich. Albrecht ist recht jung für den Job – und seine Karriere in Kiel war äußerst kurz. Albrecht war erst im August 2018 aus dem Europaparlament ins Kabinett von CDU-Ministerpräsident Daniel Günther gewechselt, weil sein Vorgänger Robert Habeck Grünen-Chef in Berlin geworden war. Über die Hintergründe von Albrechts Wechsel in die Böll-Stiftung wurde am Montag nichts Näheres bekannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?