Vorratsdatenspeicherung unter Rot-Grün: Koalition weiß nicht genau, ob sie Daten will
Die Regierung verkündet, dass sie eine Speicherpflicht für IP-Adressen will. Grüne dementieren aber einen neuen Kurs bei der Vorratsdatenspeicherung.
Möglicherweise geht es nun aber sogar noch schneller. Mit der FDP haben die einen Kritiker*innen die Koalition verlassen. Und bei den Grünen könnte es überraschenderweise Bewegung geben. Danach klingt zumindest eine Äußerung von Regierungssprecherin Christiane Hoffmann vom Montag.
Es brauche „die rechtssichere Speicherpflicht von IP-Adressen“, schrieb sie in einer Mitteilung an die Mitglieder der Bundespressekonferenz. Die Speicherung von IP-Adressen sei im Kampf gegen Kriminalität und Terror von entscheidender Bedeutung. „Die Bundesregierung wäre bereit, diese einzuführen. Wenn sich hierfür neue Mehrheiten im Bundestag finden lassen, kämen wir im Kampf gegen Terrorismus einen essentiellen Schritt weiter.“ Fachmedien wie das Portal heise.de folgerten verständlicherweise: Die Regierung will die Vorratsdatenspeicherung.
Zwei Tage später ist aber unklar, was Hoffmann tatsächlich sagen wollte – und ob grüne Regierungsmitglieder wirklich auf den SPD-Kurs eingeschwenkt sind. „Unsere Position ist unverändert“, schrieb die grüne Umweltministerin Steffi Lemke auf der Plattform Bluesky. Ihr seien auf Kabinettsebene keine anders lautenden Beschlüsse bekannt. Eine Anfrage der taz an das Bundespresseamt, ob es in der Regierung eine Einigung gab, blieb an Neujahr bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Widerspruch kommt auch aus der Fraktion der Grünen im Bundestag, die einer entsprechenden Gesetzesänderung ebenfalls zustimmen müsste. „Unsere Position ist unverändert“, sagte der Rechtspolitiker Helge Limburg im Gespräch mit der taz. „Wir sind offen dafür, die Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden zu erweitern – zum Beispiel mit dem Quick-Freeze-Verfahren. Aber eine anlasslose und massenhafte Speicherung mit ausufernden Fristen lehnen wir weiterhin ab.“
Einen Gesetzesvorschlag zum genannten Quick-Freeze-Verfahren hatte das Justizministerium noch unter Marco Buschmann (FDP) erarbeitet. Es geht dabei nicht nur um IP-Adressen, sondern um vielfältige Telekommunikationsdaten. Die Anbieter wären aber nicht verpflichtet, die Daten anlasslos von all ihren Nutzer*innen aufzubewahren. Erst auf einen richterlichen Beschluss hin müssten sie Informationen speichern, die für konkrete Ermittlungen relevant sind. Durch das Kabinett hat es der Entwurf vor dem Regierungsbruch aber nicht mehr geschafft.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?