Vorbilder bei Fahrverboten: Sonntags Party auf der Straße
Fahrverbote standen für Verkehrsminister Volker Wissing nie wirklich zur Debatte. Aber es gibt sie: Paris, Mexiko-Stadt und Athen zeigen, wie es geht.
Bisher noch gelten für verschiedene Bereiche, zum Beispiel die Industrie und den Verkehr, sogenannte Sektorenziele. Vergangene Woche hat sich die Bundesregierung auf eine Änderung des Klimaschutzgesetzes geeinigt. Demnach soll es zwar weiterhin CO2-Ziele für die Sektoren geben. Werden sie verfehlt, sind die zuständigen Minister:innen aber nicht mehr verpflichtet, ein Sofortprogramm auszuarbeiten.
Ohne die Gesetzesreform, so argumentierte Wissing, müsste er bald schon zu drastischen Mitteln greifen, um die Grenzwerte einzuhalten. Zum Beispiel zu „flächendeckenden und unbefristeten Fahrverboten an Samstagen und Sonntagen“, wie er in einem Brief an die Fraktionsspitzen der Ampelkoalition schrieb. „Restriktiv“ und „der Bevölkerung kaum vermittelbar“, nannte Wissing das.
Sonntag ohne Auto in Paris
Dabei gibt es Orte, an denen Fahrverbote gelten – zu bestimmten Zeiten, für bestimmte Fahrzeuge oder in bestimmten Zonen. In Paris ist jeder erste Sonntag in Monat „une journée sans voiture“, ein Tag ohne Auto. Die Regelung ist Teil der Aktion „Paris respire“, auf Deutsch: „Paris atmet“, die es schon seit 2003 gibt. In den ersten vier Stadtteilen ist der motorisierte Verkehr an diesen Sonntagen verboten. Ausnahmen gelten nur für einzelne große Boulevards. Taxis, Busse und Krankenwagen dürfen fahren, aber nicht schneller als 20 Kilometer pro Stunde.
Von wann bis wann die Innenstadt autofrei ist, variiert. Am nächsten entsprechenden Tag, dem 5. Mai 2024, gehören die Straßen im ersten, zweiten, dritten und vierten Arrondissement von 10 bis 18 Uhr den Fußgänger:innen und Radfahrer:innen. „In diesen Vierteln wird der Tag ohne Auto in einigen Monaten Alltag sein“, sagte David Belliard der französischen Zeitung Libération. Belliard ist im Rathaus der Stadt verantwortlich für Mobilität und die Transformation des öffentlichen Raums. Er deutete an, dass beim Autoverkehr ab Sommer dauerhaft Abstriche gemacht werden.
„Wenn man die Nutzung des Autos einschränkt, steigt ein Teil der Autofahrer:innen nach einer Weile auf andere Transportmittel um“, sagte Belliard. „Genau das sieht man in Paris, heute gibt es nur noch halb so viel Autoverkehr wie vor 25 Jahren.“ Am 22. September, dem internationalen autofreien Tag, war schon in den vergangenen Jahren fast die ganze Stadt verkehrsberuhigt. Der Tag „erlaubt, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern und die Erderwärmung zu bekämpfen“, heißt es auf der Website der Stadt Paris.
Trotzdem ist die Klimawirkung der Maßnahme noch nicht ganz erforscht. Messungen von Airparif, einer Agentur des französischen Umweltministeriums, ergaben immerhin, dass die Lärmbelastung am 22. September 2023 um 40 Prozent und die Luftverschmutzung durch Stickoxide um 20 Prozent zurückgegangen sind. In der Region Île-de-France wird laut Airparif die Hälfte der Stickoxide im Straßenverkehr freigesetzt.
In Mexiko-Stadt entscheidet das Nummernschild, ob das Auto stehen bleibt
In Mexiko-Stadt sind die Fahrverbote schon weitreichender – allerdings nur, wenn die Schadstoffbelastung in der Luft gewisse Grenzwerte überschreitet. Um gegen den Smog anzukämpfen, müssen Autobesitzer:innen in der mexikanischen Hauptstadt ihr Fahrzeug an einem Tag in der Woche stehen lassen. An welchem Tag das Verbot gilt, hängt von der Endnummer des Nummernschilds ab. Die Regelung gilt seit 2016. Damals wurde in der Stadt nach über zehn Jahren erstmals wieder ein sogenannter Umweltalarm ausgerufen wegen überhöhter Ozonwerte.
Mexiko-Stadt ist nach wie vor von stark verschmutzter Luft geplagt. Die Fahrverbote sind einer von vielen Versuchen, die Luftqualität in der Metropole zu verbessern. Ab 2025 dürfen dort zum Beispiel gar keine Dieselfahrzeuge mehr fahren. Diesen Beschluss hat Mexiko-Stadt unter anderem zusammen mit Paris gefasst – und mit der griechischen Hauptstadt Athen.
E-Autos sind ausgenommen vom Fahrverbot in Athen
Schon jetzt, bevor das Dieselverbot in Kraft tritt, hat Athen den Autoverkehr in der Innenstadt eingeschränkt. Autos mit einer geraden Zahl am Ende ihres Kennzeichens dürfen an geraden Tagen ins Zentrum fahren. Fahrzeuge, deren Nummernschild mit einer ungeraden Zahl endet, sind an ungeraden Daten dran. E-Autos, Hybridfahrzeuge oder Verbrenner mit Euro-6-Motoren, also relativ niedrigem Schadstoffausstoß, können Sondergenehmigungen beantragen. Auch in Athen ist das temporäre Fahrverbot Teil mehrerer Maßnahmen, die den öffentlichen Nahverkehr fördern und die Luft besser machen sollen.
Wie stark ein Fahrverbot die Emissionen tatsächlich senken kann, für wen und wie oft es verhängt wird, ob es Ausweichbewegungen gibt – all das lasse sich nicht immer im Vorhinein beantworten, sagt Benjamin Stephan, Verkehrswende-Experte bei Greenpeace. Vor allem in der Vergangenheit sei die Klimawirkung von Fahrverboten nicht gut erforscht worden.
In Deutschland wird immer wieder auf das allgemeine Fahrverbot im Jahr 1973 verwiesen. Der Jom-Kippur-Krieg hatte eine Ölkrise ausgelöst, die Rohstoffpreise waren extrem gestiegen. Um den Ölverbrauch zu drosseln, machte die Regierung vier Sonntage bundesweit autofrei. Später stellte sich heraus, dass die Einsparwirkung insgesamt gering war – unter anderem wegen zu vieler Ausnahmegenehmigungen.
Mobilität ist ein Grundbedürfnis
Für flächendeckende Fahrverbote gebe es aktuell keine Rechtsgrundlage, sagt Stephan. In Städten gebe es an sich mehr Spielraum, sagt der Greenpeace-Experte. Die Maßnahmen, die sie ergreifen, könnten nicht nur dem Klimaschutz, sondern eben auch der Luftqualität oder dem Lärmschutz dienen. „In Deutschland haben Kommunen mit dem aktuellen Straßenverkehrsrecht trotzdem wenig Möglichkeiten“, sagt Stephan.
Generell sei die Lage komplex: „Mobilität ist ein Grundbedürfnis“, meint Stephan. Auf dem Land sei es schwieriger, Alternativen zum Auto zu finden. Theoretisch aber seien Einschränkungen des Autoverkehrs „Maßnahmen, mit denen man starke Emissionsminderung erreichen kann“, sagt Stephan.
Vor allem, wenn mildere, kurzfristig wirksame Schritte im Verkehr, etwa ein Tempolimit oder eine Reform der Dienstwagenbesteuerung, auch in Zukunft auf sich warten lassen. „Dann sind Fahrverbote in etwa zehn Jahren durchaus denkbar“, sagt der Greenpeace-Experte. „Dann gibt es keine milderen Mittel mehr, mit denen die Emissionen im Verkehr noch schnell genug gesenkt werden können.“
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