Vorbeugung gegen Missbrauch: Viel Kritik an Kinderschutzgesetz
Die rot-rote Koalition will Kindesmissbrauch eindämmen, indem sie auf Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen drängt. Kinderschutzbund und Opposition halten das für den falschen Weg.
Das neue Kinderschutzgesetz, das im Januar in Kraft treten soll, stößt auf starken Widerstand des Kinderschutzbundes und der Opposition im Abgeordnetenhaus. "Wir halten nicht sehr viel davon", sagte eine Sprecherin des Schutzbundes der taz. Das Gesetz setze zu wenig auf Prävention wie flächendeckende Besuche bei Eltern, die ihr erstes Kind bekommen haben. Ähnlich äußerten sich Abgeordnete von CDU, Grünen und FDP. Nächste Woche will die rot-rote Koalition das Gesetz im Abgeordnetenhaus beschließen.
Im Mittelpunkt des neuen Gesetzes stehen die Vorsorgeuntersuchungen für Kinder bis sechseinhalb Jahre. Die Koalition will mehr Eltern als bislang dazu bringen, zu diesen Untersuchungen beim Kinderarzt zu gehen. Davon verspricht sie sich neben der eigentlichen Funktion - frühem Erkennen von Defiziten - auch Aufschluss über Kindesmisshandlung. Laut SPD-Fraktion lassen kurz nach der Geburt noch rund 90 Prozent der Eltern ihr Kind untersuchen, später sinke die Quote auf 75 Prozent.
Das neue Gesetz sieht zwar keine Pflicht zur Untersuchung vor, aber durchaus eine hartnäckige Ermunterung zur Teilnahme. Kinderärzte müssen zukünftig einer Zentralstelle an der Charité jedes Kind melden, das an einer Vorsorgeuntersuchung teilgenommen hat. Wer zwei Wochen vor Ende des jeweiligen mehrmonatigen Untersuchungszeitraums dort noch nicht registriert ist, soll einen mehrsprachig verfassten Brief zur Erinnerung erhalten.
Gehen die Eltern auch dann nicht zum Arzt, übergibt die Zentralstelle die Sache den Bezirken. Deren Kinder- und Jugenddienste sollen dann bei den Familien vorbeischauen und gegebenfalls die Jugendämter einschalten. Beide Einrichtungen sollen pro Bezirk je einen zusätzlichen Mitarbeiter erhalten, was insgesamt rund 1,1 Millionen Euro kosten soll.
Der CDU-Fraktion geht das nicht weit genug. Sie will, dass die Vorsorgeuntersuchungen genau wie in Hessen, Bayern und im Saarland Pflicht werden. SPD-Gesundheitspolitikerin Stefanie Winde lehnt diesen Weg nicht nur ab, weil er in die Elternrechte eingreife und so gegen das Grundgesetz verstoße. "Wir wollen uns hier an die Seite der Eltern stellen und nicht gegen die Eltern", sagte sie. In Bundesländern, die eine Pflicht verankert haben, gebe es bereits Klagen.
Der Landesverband des Kinderschutzbunds sieht das Geld an der falschen Stelle ausgegeben. Seine Sprecherin Alex Jakob befürchtet, dass ein riesengroßer Verwaltungsaufwand entstehe und zu wenig Geld in präventive Maßnahmen gehe. Auch die Grüne Elfi Jantzen sieht einen Fall von Überbürokratisierung.
Jakob verwies zudem auf eine Auswertung aus dem Saarland, wo ein entsprechendes Gesetz bereits in Kraft ist: Unterm Strich habe dort die Pflicht zur Untersuchung nicht viel gebracht. FDP-Politikerin Mieke Senftleben unterstreicht das: "Das Gesetz suggeriert, dass die Vorsorgeuntersuchungen Kindesmisbrauch verhindern können, und das können sie nicht."
Für den Kinderschutzbund erschwert das Gesetz sogar die Lage: Zunehmende Kontrolle bringe Familien noch weiter in die Isolation: "Es besteht die Gefahr, dass sie sich aus Angst, dass ihnen die Kinder weggenommen werden, jeglichen Hilfsangeboten verschließen." Stefan Alberti
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