Vorbereitung auf den Triathlon: Zwischen Zweifeln und Kaffeetrinken
Für einen Triathlon wollte unsere Kolumnistin kraulen lernen. Bislang schluckt sie vor allem Wasser und fragt sich: Muss man wirklich alles können?
W enn ich versuche zu kraulen, sehe ich aus, als würde ich das Wasser zum ersten Mal in meinem Leben berühren. Meine Arme klatschen auf die Oberfläche, die Füße wühlen unregelmäßig durcheinander. Nach 30 Metern bin ich aus der Puste und kralle mich am Beckenrand fest. Eine Frau in den Sechzigern gleitet elegant an mir vorbei. „Alles okay?“, fragt sie. „Ich lerne kraulen“, schnaufe ich zurück und hoffe, dass sich das Becken unter mir auftut.
Das war mein Vorsatz für 2025. Es begann mit der Idee im Freundeskreis, einen Triathlon zu absolvieren. Eine Sprintdistanz: 750 Meter schwimmen, 20 Kilometer radeln, 5 Kilometer laufen. Es würde Spaß machen, sich gemeinsam einer Herausforderung zu stellen, ein Ziel zu haben, auf das wir hintrainieren könnten – so malten wir es uns aus, irgendwann zwischen den Jahren und inmitten der Quaterlifecrisis.
Seitdem stehe ich dienstagmorgens in einem zitronengelben Badeanzug am Beckenrand (ein Geschenk meiner Freundinnen, um meine Motivation hochzuhalten) und ringe mich dazu durch, ins kalte Wasser zu springen. Ich habe mir so viele Videos mit Kraultipps angeschaut, dass mein Social-Media-Feed mittlerweile nichts anderes als Muskeltraining für Schwimmerinnen und Unterwasseraufnahmen zu bieten hat.
Mit einem Schaumstoffbrettchen übe ich im Becken die richtige Armrotation. Links, atmen, rechts, atmen, links, atmen. Dann schlucke ich Wasser und muss husten. (Wie schaffen es andere, drei, vier, sogar fünf Armschläge zu machen, ohne Luft zu holen?)
„Es hätt noch emmer joot jejange“
Inzwischen ist über ein halbes Jahr vergangen und die Fortschritte bleiben aus. Dabei habe ich erfahren, dass Kinder in vielen anderen Ländern zuerst Kraulen lernen und dann Brustschwimmen. Das gerade Kicken mit den Beinen soll einfacher sein als der froschige Beinschlag. Außerdem sei die Kraultechnik dem Bewegungsablauf beim Gehen ähnlich, und daher grundsätzlich gar nicht so schwierig. Nur spüre ich davon leider nichts.
Was mache ich falsch? Liegt es an der Koordination? Gleichzeitig mit den Beinen paddeln, die Arme rotieren, sie im richtigen Moment abknicken und mit Druck unter Wasser nach hinten ziehen, mich dabei wie eine Schraube drehen, nicht vergessen auszuatmen, damit ich im richtigen Moment zwischen Achsel und Wasseroberfläche kurz Luft holen kann.
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Damals im Musikunterricht sollten wir eine Koordinationsübung machen: Mit der einen Hand leicht auf den Kopf klopfen und mit der anderen Hand in Kreisen über den Bauch fahren. Das war auch so ein Ding der Unmöglichkeit für mich. Ist das beim Kraulen die gleiche Problematik? Mit jeder Woche werde ich unzufriedener, wenn ich mich aus dem Becken stemme und wieder keine Bahn am Stück geschafft habe.
Nach dem Training trinken wir traditionell noch einen Kaffee. Bei meiner Freundin laufen die Vorbereitungen auf den Wettkampf auch eher mäßig. „Es hätt noch emmer joot jejange“, sagt sie und verlässt sich wie in vielen Lebenslagen auf das Kölner Grundgesetz. Artikel 1 lautet: „Et es wie et es.“ Stimmt. Zwei Wochen vor dem Triathlon kann ich noch immer nicht kraulen. Man muss nicht alles können, oder?
Ich werde an den Start gehen, all die Kraulerinnen davongleiten sehen und mich beim Brustschwimmen darüber freuen, dass ich immerhin eine Art beherrsche, mich durch den menschenfeindlichen Lebensraum Wasser zu bewegen.
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