Vor der Wahl in Indien: Opposition unter Bedrängnis
Wenige Wochen vor der Wahl in Indien wächst der Druck auf die Opposition. Die Festnahme eines Oppositionspolitikers ruft Proteste hervor.
Dem 55-jährigen Kejriwal wird Korruption im Zusammenhang mit der Vergabe von Alkohollizenzen in Höhe von elf Millionen Euro zur Last gelegt. 2012 hatte der studierte Maschinenbauingenieur im Zuge einer Anti-Korruptionskampagne die AAP gegründet, die seitdem zu einer wichtigen politischen Kraft in Nordindien wurde und neben Delhi auch den Punjab regiert.
Die Vorwürfe gegen Kejriwal seien nicht haltbar, so AAP-Politikerin Atishi Singh. Die Festnahme sei eine politische Verschwörung der Regierungspartei BJP, sagte sie gegenüber Medien.
Scharfe Kritik am Vorgehen gegen den AAP-Chef kommt auch von anderen Teilen der Opposition, die sich zu großen Teilen in der India Alliance zusammengeschlossen hat. „Das ist ein Angriff auf die Demokratie“, sagte etwa der führende Kongresspolitiker Shashi Tharoor. Es sei klar, dass die Opposition mit gefesselten Händen und Füßen in die Parlamentswahl geht. Diese findet vom 19. April bis Anfang Juni 2024 statt.
BJP pocht auf Kejriwals Rücktritt
Tharoor forderte das Oberste Gericht des Landes auf, den „Verrat an den demokratischen Grundsätzen, die in der Grundstruktur der Verfassung verankert sind, von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen“.
Die hindunationalistische Regierungspartei BJP unter Führung von Narendra Modi forderte Kejriwal dagegen zum Rücktritt auf. Es sei klar, dass Kejriwal korrupt ist, so der BJP-Politiker Virendraa Sachdeva. Modi selbst dürfte die Proteste nur am Rande zur Kenntnis nehmen, da er sich auf Besuch im benachbarten Bhutan befindet.
„Die Verhaftung von Delhis Regierungschef macht jeden Bürger dieses großen Landes äußerst besorgt“, sagt der politische Analyst Tehseen Poonawalla. Das ED agiere wie ein verlängerter Arm von Modis BJP oder der ihr nahestehenden militanten Organisation Bajrang Dal. Das sei kein gutes Bild für einen Premierminister, der sagt, dass sein Bündnis mehr als 400 der 545 Parlamentssitze gewinnen werde.
Vor Kejriwal war bereits im Januar Hemant Soren (JMM) vom ED verhaftet worden. Er war bis kurz zuvor Ministerpräsident des ebenfalls von der Opposition regierten Bundesstaates Jharkhand. Laut der Zeitung Indian Express richteten sich 95 Prozent der ED-Fälle seit dem Machtantritt der BJP im Jahr 2014 gegen Oppositionsführer:innen.
Am Donnerstag hatte Indiens größte Oppositionspartei, die Kongresspartei, bekannt gegeben, dass ihre Bankkonten eingefroren wurden. „Wir können unsere Kampagnenarbeit nicht machen. Wir können unsere Mitarbeiter und Kandidaten nicht unterstützen“, klagte der Politiker Rahul Gandhi, der aktuell von Osten nach Westen durchs Land marschiert, um Wähler:innen zu erreichen und die Opposition zu mobilisieren.
Auf einer Kundgebung am Wochenende hatte der 53-jährige Gandhi Politiker:innen wie den südindischen Regierungschef Muthuvel Stalin (DMK) an seiner Seite, aber auch Mehbooba Mufti (JKPDP), die frühere Ministerpräsidentin des indischen Bundesstaates Jammu und Kaschmir. Der indischen Opposition steht ein harter Wahlkampf bevor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Hamburg und die Kühne-Oper
Als das Wünschen noch geholfen hat