Vor der Vierschanzentournee: Fliegende Ergänzung

Karl Geiger, aktuell der beste Springer im Skiverband, sagt, er werde an der Schanze neuerdings zur „Drecksau“. Ist das sein Erfolgsrezept?

Karl Geiger springt

Die taz verpixelt Sponsorenwerbung. In diesem Fall gab es mal wieder viel zu tun Foto: dpa

Verkehrte Welt im deutschen Skisprung-Team, könnte man sagen. Aber das wäre ungerecht gegenüber Karl Geiger und Stephan Leyhe. Trotzdem ist es noch ungewöhnlich, dass die beiden die Hoffnungsträger bei der diesjährigen Vierschanzentournee aus der Mannschaft von Bundestrainer Werner Schuster sind.

Olympiasieger Andreas Wellinger fehlt noch die Konstanz, Richard Freitag hat Probleme mit seiner Hüfte und Severin Freund sucht nach zwei Kreuzbandrissen in zwei Jahren noch nach dem Rhythmus. „Andere Mannschaften würden untergehen, umso stolzer bin ich. Karl Geiger und Stephan Leyhe haben einen Schritt nach vorne gemacht“, sagt Coach Schuster.

Karl Geiger? Stephan Leyhe? Seit mehr als fünf Jahren starten der Oberstdorfer und der Willinger regelmäßig im Weltcup. Als Ergänzungsspringer hat sie Schuster immer bezeichnet. Das klingt ein wenig abwertend, hat die Situation dennoch getroffen. Geiger und Leyhe ergänzten das Team, doch die großen Schlagzeilen produzierten andere. Freund als Weltmeister und Gesamt-Weltcupsieger, Freitag als Siegspringer und Wellinger als Tournee-Zweiter hinter dem Polen Kamil Stoch.

Wenig beachtet von der Öffentlichkeit haben sich Geiger und Leyhe jedoch weiterentwickelt. Schritt für Schritt. „Ich würde sagen, dass ich noch die kleineren Schritte mache als der Karl“, sagt der 26-jährige Willinger, der mit einem zweiten Platz in Wisla in die Saison gestartet war. Nach vielen Trippelschritten haben sie nun die Rolle der Leader übernommen. Dabei liegt ihnen diese eigentlich gar nicht so. „Ich bin eher von der ruhigeren Art“, sagt der Allgäuer, dem in Engelberg sein erster Weltcup-Sieg gelungen ist.

Mit dieser Charakterisierung könnte er auch Leyhe meinen. Was auch Schuster bestätigt: „Stephan hätte genauso das Potenzial für die eins, er muss aber noch diese mentale Hürde nehmen.“

Juniortüte bei McDonald’s

„Bei Karl ist es richtig erarbeitet. Man kann es sich erarbeiten“, sagt der Coach. Geiger habe sich schon ganz gut entwickelt, ergänzt er. Dann nimmt er sowohl Geiger als auch Leyhe, seine beiden konstantesten Springer in diesem Winter, in die Pflicht: „Ich hoffe, sie bleiben frech und bleiben vorne und warten nicht, bis sie wieder von Richard Freitag und Andreas Wellinger überholt werden.“

Die Schlagzeilen produzierten andere: Freund als Weltmeister, Freitag als Siegspringer

Dabei kann Leyhe durchaus mutig sein, wenn es die Umstände erfordern. Mit elf Jahren war er beim Skispringen in seiner Heimat Willingen als Schlaumeier-Reporter für den Tigerenten-Club mit dem Mikrofon unterwegs. Und griff sich gleich mal Sven Hannawald, der als erster Springer alle vier Springen der Vierschanzentournee gewonnen hatte. Frage: „Was ist so toll am Skispringen?“ Antwort: „Probier es einfach mal aus.“

Dabei hatte dies der kleine Steppke mit sechs Jahren schon getan. „Ich bin immer wieder auf die Schanze zugefahren, aber kurz davor abgebogen, weil ich Schiss hatte.“ Dann griff Vater Volker, ebenfalls Skispringer, zu einem Trick, bot dem Filius eine Wette an: „Wenn du springst, gibt es eine Juniortüte bei McDonald’s.“ Das hat gezogen. „Ich bin dann gesprungen.“

Hopp oder top

Solch einen Anreiz hat Karl Geiger nie gebraucht. Er ist im Schatten der Schattenbergschanze aufgewachsen. Seine erste Erinnerung ans Skispringen. Ein Besuch beim Auftaktspringen der Tournee. „Ich weiß nicht mehr genau, wie alt ich war, aber Martin Schmitt hat gewonnen“, erzählt er. Dies war dem Schwarzwälder zwischen 1998 und 2000 dreimal gelungen. Und der kleine Karl zwischen fünf und sieben Jahre alt. Seitdem ist viel Zeit ins Land gegangen.

Aus dem kleinen Steppke ist ein 1,81 Meter großer Schlaks geworden. Anfangs habe er versucht, „eine Abkürzung zu nehmen“. Doch ohne intensives Training, hat er erkennen müssen, geht es nicht. „Dann fliegt man auf die Fresse“, lautet seine Erkenntnis. Zusätzlich hat sich der 25 Jahre alte Athlet auch mental entwickelt. „Im Wettkampf habe ich mir in den letzten Jahren ein bisschen so eine Drecksau angewöhnt“, sagt er und setzt einen kecken Gesichtsdruck auf, „wenn Wettkampf ist, dann hau ich drauf, dann gebe ich immer 100 Prozent. Da bin ich eher rigoros, eher hopp oder top“, sagt Karl Geiger.

Dass nun zwischen den Jahren die Vierschanzentournee ansteht, schreckt weder Geiger noch Leyhe. Im Weltcup belegen sie die Plätze vier und sechs. Das gibt Selbstbewusstsein. Verleiht es auch Flügel? „Dieses Jahr kann ich entspannter reingehen, weil ich weiß, dass ich es kann“, sagt Karl Geiger.

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