Vor der Vierschanzentournee: „Die Hausaufgaben sind gemacht“
Vor dem Wettkampf gilt Richard Freitag als Favorit. Auch die anderen deutschen Springer treten so ambitioniert an, wie seit Jahren nicht mehr.
In diesem Jahr ist diese Vorfreude sogar ein wenig größer. Denn der 26-Jährige hat das Gelbe Trikot des Weltcup-Führenden im Gepäck. Damit ist er automatisch Favorit auf den Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee. Und weil Andreas Wellinger auf Platz zwei in dieser Wertung liegt, sind die Erwartungen an die deutschen Springer besonders groß. 16 Jahre nach Sven Hannawalds historischen Triumph mit Siegen auf allen vier Schanzen soll endlich wieder ein Athlet des Deutschen Skiverbands (DSV) den Holzadler bekommen.
Für Angst sorgt diese Erwartungshaltung längst nicht mehr im deutschen Team. „Schon seit einigen Wochen macht mir das Skispringen richtig viel Spaß“, sagt Freitag, „und es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass man seine Sache gut macht.“ Drei Springen hat er bereits in diesem Winter bei den unterschiedlichsten Bedingungen als Sieger beendet, eines Teamkollege Andreas Wellinger. Das gibt Selbstbewusstsein.
Doppelweltmeister Stefan Kraft sagt über Freitag: „Der Ritschi ist der Top-Favorit.“ Und Martin Schmitt meint: „Wenn man sich Ritschi anguckt, dann stimmen alle Voraussetzungen, da sind die Hausaufgaben gemacht.“ Schmitt war vor 17 Jahren der letzte Deutsche, der als Weltcup-Führender in die Tournee gestartet ist.
Öffentliche Auftritte in homöopathischen Dosen
Doch nicht nur die Springer sind bestens vorbereitet. „Wir haben uns in den vergangenen Jahren zu den Abläufen, zur Lage der Hotels und Reisezeiten so viele Gedanken gemacht“, sagt Trainer Schuster, „da sind wir nahe am Optimum.“ Auch die öffentlichen Auftritte werden eher in homöopathischen Dosen zelebriert. Deshalb sagt Schuster forsch: „Irgendwann ist die Zeit der Ausreden vorbei.“
Daran verschwenden die Springer im Vorfeld keinen Gedanken. „Unsere Stärke im Moment ist, dass jeder Leistung zeigt“, sagt Wellinger, „das ist eigentlich auch schon der Grund, warum es zurzeit funktioniert.“ Und Druck von außen empfinden die Athleten keinen. „Ich lasse es auf mich zukommen“, sagt Freitag lässig. Er freue sich sehr auf die vollen Stadien, die tolle Kulisse und die große Aufmerksamkeit, die dem Skispringen während der Vierschanzentournee zuteil werde.
Dieter Thoma ist einer, der weiß, wie es geht. 1990 hat der 48-Jährige die Vierschanzentournee gewonnen, und als Experte für die ARD begleitet er seine Nachfolger hautnah. „Wenn die Erfolgserlebnisse kommen, ist natürlich die gesamte Stimmung wesentlich besser, und alles wirkt einfacher“, beschreibt er die momentane Lage in der deutschen Mannschaft.
Richard Freitag
„Die Stimmung in der Mannschaft ist locker, und wir haben zusammen viel Spaß, Skisprungdeutschland zu repräsentieren“, sagt Wellinger. Und Freitag ergänzt: „Diese Stimmung macht es jedem Einzelnen leichter, das Optimum abzurufen.“ Dies sieht auch Bundestrainer Schuster so: „Ein Baustein für unsere bisherigen Erfolge ist auch der Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft. Die Sportler pushen sich gegenseitig zu Höchstleistungen.“ Nicht nur im Training, sondern auch im Wettkampf.
Bis zum letzten Teamkollegen warten alle deutschen Springer hinter dem Ausgang. Sie freuen sich gemeinsam über den Erfolg des Teamkameraden – „egal, ob Podestplatzierungen, Top-Ten-Ergebnisse oder Weltcup-Punkte“, so Schuster. Trotzdem möchte der Cheftrainer eines nicht vergessen zu erwähnen: „Unsere gute Form ist das Resultat konsequenter und konzentrierter Trainingsarbeit.“
Doch die Vierschanzentournee gibt sich gerne wie eine launische Diva. Favoriten mag sie nicht immer, manchmal bevorzugt sie einen Außenseiter. Dieter Thoma hat dieses Phänomen schon häufig beobachtet. Deshalb sagt er: „Es ist nicht die Frage des Könnens, sondern die Frage des Glaubens.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!