Vor der Syrienkonferenz der UN: Assad ist und bleibt umstritten
Der neue Anlauf für Friedensgespräche in Genf steht unter schlechten Vorzeichen. Beide Seiten reisen mit völlig konträren Positionen an
Mohammed Allusch, der islamistische Chefunterhändler des Oppositionbündnisses „Hoher Verhandlungsrat“ (HNC), erklärte am Sonntag bei seiner Ankunft in Genf, dass „ein politischer Neuanfang in Syrien nur ohne Präsident al-Assad möglich“ sei. „Wir glauben, dass eine Übergangszeit mit dem Sturz oder Tod von Baschar al-Assad beginnen sollte“, erklärte Allusch. Ein Übergangsprozess sei nicht möglich „in der Gegenwart dieses Regimes oder solange der Kopf dieses Regimes noch an der Macht ist“.
Der syrische Außenminister Walid al-Muallim hatte dagegen am Samstag betont, seine Regierung werde „mit niemandem reden“, der Assad als Präsidenten infrage stelle. Wenn der HNC an seiner Forderung festhalte, brauche er „gar nicht erst zu den Verhandlungen nach Genf reisen“. Zudem wies der Außenminister das von de Mistura bekräftigte Ziel von Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Syrien in spätestens 18 Monaten zurück: „Weder der UN-Sondervermittler noch sonst irgendjemand hat das Recht, Präsidentschaftswahlen zur Sprache zu bringen. Die Wahlen sind das Exklusivrecht des syrischen Volkes. Was de Mistura sagt, widerspricht daher allen UN-Dokumenten, auf die sich der bevorstehende Dialog stützt.”
Diese Darstellung des syrischen Außenministers ist falsch. Der vom UNO-Sicherheitsrat am 22. Dezember vergangenen Jahres einstimmig abgesegnete Friedensplan für Syrien, die völkerrechtliche Grundlage für die Genfer Gespräche, sieht nach einem Waffenstillstand Verhandlungen über die Bildung einer Übergangsregierung aus Vertretern von Regierung und Opposition bis spätestens Mitte 2016 vor, die Erarbeitung einer neuen Verfassung durch diese Übergangsregierung sowie von der UNO-überwachte Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in spätestens 18 Monaten, also etwa Mitte 2017.
Die USA und Russland sowie UNO-Vermittler de Mistura hatten sich bislang bemüht, die Frage nach der künftigen Rolle Assads erst einmal aus dem Verhandlungsprozess auszuklammern und in den nächsten Wochen zunächst eine Einigung zwischen den Konfliktparteien über die Bildung einer Übergangsregierung herbeizuführen.
Sollte die syrische Regierungsdelegation in Genf unter Leitung des UNO-Botschafters in New York, Baschar al-Dschaafari, allerdings darauf bestehen, dass Assad der Übergangsregierung angehören soll, könnten die Gespräche schon bald wieder platzen. Denn sämtliche säkularen und islamistischen, politischen und bewaffneten Oppositionsgruppen sind sich bei allen Kontroversen untereinander einig in der Forderung, dass Assad spätestens mit der Etablierung der Übergangsregierung von der Macht abtreten muss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku