Vor der Europawahl: Österreichs Quälerei mit der EU

Vor der Europawahl in Österreich sind sich viele noch im Unklaren, wen sie wählen. Die Einheimischen beschäftigen sich lieber mit sich selbst.

Mehrere Frauen tragen die Europaflagge und laufen bei einer Demo in Wien mit

Ein Herz für Europa: Teil­neh­me­r:in­nen bei einer Kundgebung in Wien Foto: Florian Wieser/APA/dpa

Wen soll man nur wählen? Viele in Österreich sind noch unschlüssig. Vor allem für Linke und Grüne ist die Entscheidung nicht leicht, wie eine private, aber vielleicht aufschlussreiche Recherche unter Bekannten in Wien und im Salzburger Speckgürtel zeigt.

Die einen, junge Leute, hoffen noch auf die kommenden TV-Wahlduelle als Entscheidungshilfe. Die anderen suchen Rat bei einem von mehreren Wahl-O-Maten im Internet, die aber oft völlig konträre Ergebnisse ausspucken, also auch nicht wirklich helfen.

Die Grünen sind durch die „Affäre Schilling“ für viele gestorben. Spitzenkandidatin Lena Schilling wurde ja vorgeworfen, Lügen über Journalisten verbreitet zu haben. Die Grünen reagierten patzig und intransparent. Viele Sympathisanten nehmen der Partei, die mit Anstand und Herz wirbt, das übel. Die 23-jährige frühere Klimaaktivistin sei von Anfang an die falsche Wahl gewesen, sagen auch manche. Ein Dorn im Auge ist einigen auch die durchwachsene Bilanz der Regierung mit der ÖVP.

Vor den Kommunisten wiederum schrecken viele zurück – wegen des Namens und dem nicht immer eindeutigen Umgang mit der Sowjethistorie wie auch dem Ukrainekrieg. Auch wenn viele die Hands-on-Sozialpolitik der Grazer und Salzburger Genossen goutieren: Wie sich die KPÖ in Brüssel und Straßburg sinnvoll einbringen soll, ist vielen unklar.

SPÖ wirbt mit Neutralität und Frieden

Bleibt die einstige Großpartei SPÖ. Der prononciert linke Andreas Babler wurde vor einem Jahr zum Parteichef gewählt. Die anfängliche Begeisterung ist verflogen. Seit Monaten ist Babler kaum präsent. Unvergessen freilich ist seine Aussage von 2020, in der er die EU als „aggressivstes außenpolitisches militärisches Bündnis“ und „schlimmer als die Nato“ bezeichnete. Als das aufkam, sprach Babler von „semantischen Spitzfindigkeiten“. Nun wirbt die SPÖ mit Neutralität und Frieden. Den Befragten fehlen Gründe, die Partei zu wählen.

Weswegen einige, die sonst grün oder rot wählen, nun ihre Stimme den neoliberalen Neos geben wollen – wenn auch mit ideologischem Bauchweh. Aber immerhin sind sie, fast als einzige, absolut proeuropäisch und wollen mehr Unterstützung für die Ukraine. Auch fordern sie Aufklärung über das problematische Näheverhältnis Österreichs zu Russland.

An den Ortseinfahrten auf dem Land überwiegen Plakate von ÖVP („Europa. Aber besser“) und FPÖ („EU-Wahnsinn stoppen“). Dabei hätte die rechtsradikale FPÖ die Werbung gar nicht mehr nötig, führt sie doch alle Umfragen seit Monaten an.

Generell gilt die EU-Wahl als eher unwichtig und als Testfall für die kommende Nationalratswahl im Herbst. Wie die hierzulande beschämend niedrige EU-Zustimmung von 42 Prozent gehoben werden soll, dazu hört man nichts. Und so ist Österreich wie eh und je vor allem mit sich selbst beschäftigt. Mehr noch als anderswo gilt in Wien: Außenpolitik ist Innenpolitik.

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