Vor den Spielen in Rio de Janeiro: Protest vor olympischer Kulisse
Tausende gehen in Brasilien auf die Straße – die einen für die Amtsenthebung von Präsidentin Rousseff, die anderen dagegen.
Demonstranten in Nationaltrikots und mit gelb-grünen Fähnchen forderten die Absetzung der bereits suspendierten Präsidentin Dilma Rousseff, das Ende von 13 Jahren Mitte-links-Regierung der Arbeiterpartei PT und ein Zurück zu „Ordnung und Fortschritt“. Auf der anderen Seite dominierte das Rot der linken Parteien und Gewerkschaften. Hier war man gegen Interimspräsident Michel Temer und seine rechtsliberale Regierung.
Die Demonstranten warfen ihm Verrat vor; bis zu Roussefs Suspendierung war Temer Vizepräsident. Das Amtsenthebungsverfahren wegen Haushaltstricks zur Schönung der Staatsfinanzen ist in ihren Augen ein Putsch. Nicht alle wollen die unbeliebte Rousseff zurück. Konsens ist aber, dass das rechte Rollback in Wirtschafts- und Sozialpolitik die Errungenschaften der letzten Jahre infrage stellt.
Die Demos fielen kleiner aus als noch vor wenigen Monaten, als Zehntausende die politische Spaltung Brasiliens auf die Straße trugen. In Copacabana sammelte sich der Protest vor der riesigen Strandvolleyball-Arena und einem großen Zelt, in dem Olympia-Artikel feilgeboten werden. Drei Meter hohe Wellen schwappten bedrohlich gegen den improvisierten Schutzwall aus Sandsäcken am Olympia-Pressecontainer, der zu nah am Wasser errichtet wurde. Die Rampe der Segler hat der Wellengang schon zerstört – fast jeden Tag gibt es neue Hiobsbotschaften über Baumängel bei der milliardenteuren olympischen Infrastruktur.
Lula führt in Meinungsumfragen
Temer wird die Spiele eröffnen. Auf das zu erwartende Pfeifkonzert ist er vorbereitet. Rousseff und ihr Vorgänger Lula da Silva, der 2009 die Spiele nach Brasilien holte, werden die Zeremonie boykottieren. In der ersten Septemberwoche, kurz vor Beginn der Paralympics, soll die endgültige Senatsabstimmung über Rousseffs Amtsenthebung stattfinden.
Es gilt als wahrscheinlich, dass die Zweidrittelmehrheit dafür zustande kommt. Daran ändert auch nichts, dass Temer ähnlich unbeliebt ist wie Rousseff und sein Kabinett in einen riesigen Korruptionsskandal verwickelt ist. Und Neuwahlen sind weder in der Verfassung vorgesehen noch von den Kontrahenten wirklich gewünscht. Für die PT wäre dies die Legalisierung des Staatsstreichs gegen eine gewählte Präsidentin. Die Rechte hat Angst, dass der nach wie vor populäre Lula gewinnen könnte – die Meinungsumfragen jedenfalls führt er an.
Lula selbst sieht sich politischer und juristischer Verfolgung ausgesetzt und bat deswegen Ende letzter Woche die Menschenrechtskommission der UNO um Unterstützung. Nur einen Tag später wurde der frühere Gewerkschafter erstmals vor Gericht angeklagt. Er soll die Ermittlungen im Korruptionsfall um den Erdölriesen Petrobras behindert haben.
Eine Genugtuung für die grün-gelben Demonstranten, die Lula und Rousseff stets als aufblasbare Puppen in Sträflingskleidung mit sich führen. Die Unterstützer der PT hingegen sehen sich in ihrer These bestätigt, dass das eigentliche Ziel der Anti-PT-Kampagne von Medien, Justiz und Polizei nicht Präsidentin Rousseff, sondern Expräsident Lula sei. Denn gegen ihn sei die Rechte an den Urnen noch immer chancenlos.
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