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Vor den Parlamentswahlen in RumänienTurbulenzen und Neuauszählung

Das Verfassungsgericht ordnet an, die Stimmen der Präsidentenwahl neu auszuzählen. Das Chaos könnte sich auf die Parlamentswahl am Sonntag auswirken.

Schlimme Befürchtungen in Bukarest: Calin Georgescu wird als Präsidentschaftskandidat, in die Stichwahl am 8. Dezember einziehen Foto: Andreea Alexandru/ap/dpa

Berlin taz | Das rumänische Verfassungsgericht hat am Donnerstag die Neuauszählung der Stimmen veranlasst, die am Sonntag in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen abgegebenen worden waren. Der Beschluss erfolgte aufgrund einer Eingabe, die zwei unterlegene Präsidentschaftskandidaten gestellt hatten.

Der EU-Abgeordnete Cristian Terheş von der Rumänischen Nationalkonservativen Partei (PNCR) und Sebastian Constantin Popescu von der Partei Neues Rumänien (PNR) forderten eine Annullierung der Wahlen und begründeten ihren Schritt mit dem Hinweis auf Unregelmäßigkeiten bei der Stimm­auszählung. Die beiden Kandidaten erhielten 1,04 Prozent beziehungsweise 0,16 Prozent der Stimmen.

Sieger in der ersten Runde waren der parteiunabhängige Rechtsextremist Călin Georgescu (22,94 Prozent) und die Kandidatin der neoliberalen Technokratenpartei Union Rettet Rumänien (USR), Elena Lasconi (19,18 Prozent). Ob nun die für den 8. Dezember angesetzte Stichwahl stattfinden wird, hängt von der zentralen Wahlbehörde (BEC) ab. Deren Leiter erklärte, dass eine Neuauszählung von über 9 Millionen Wahlzetteln innerhalb eines Tages unmöglich sei. Das Verfassungsgericht wird erst am Freitag entscheiden, ob dem Antrag einer Wahlannullierung stattgegeben wird.

Der offizielle Start für die Eröffnung des Wahlkampfes für die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen soll ebenfalls am Freitag erfolgen. Am selben Tag endet die Kampagne für die Parlamentswahlen, die für Sonntag, den 1. Dezember, angesetzt sind.

Vorwürfe an den Tiktok-Kandidaten

Von den politischen Turbulenzen profitieren die rechtsextremen Parteien. Diese könnten einen historischen Erfolg verbuchen, nachdem die Präsidentschaftskandidaten der Regierungsparteien, der Sozialdemokratischen Partei (PSD) und der National-Liberalen Partei (PNL) es nicht in die Stichwahl geschafft haben. Die Chefs der beiden stark angeschlagenen Parteien sind nach der ersten Runde zurückgetreten, was Auswirkungen auf das Verhalten der Stammwählerschaft haben dürfte.

Die Spitzenkandidaten für das höchsten Amt im Staat, Călin Georgescu und Elena Lasconi, meldeten sich inzwischen zu Wort und warnten vor Entscheidungen, die die Recht­mäßigkeit des Wahlausgangs und die korrekte Stimmauszählung in Frage stellen. Auch zahlreiche Kommentatoren sprachen sich für eine Anerkennung des Wahlausgangs und Respekt demokratischer Spielregeln aus.

Dem rechtsradikalen Kandidaten Georgescu war in den vergangenen Tagen vorgeworfen worden, er habe sich unlauterer Mittel im Wahlkampf bedient und seine auf Tiktok verbreiteten Spots nicht als Wahlpropaganda ausgewiesen. Gleichzeitig wurde ihm vorgehalten, er habe die für den Wahlkampf eingesetzten finanziellen Mittel verschleiert. Georgescu wies diese Anschuldigungen zurück und behauptete, keinerlei Unterstützung erhalten zu haben. Für ihn hätten sich ausschließlich Freiwillige eingesetzt, die von niemandem bezahlt wurden.

Zum ersten Mal seit 1989 antifaschistische Proteste

Ein Vertreter der USR, Ionuţ Moşteanu, forderte nach Bekanntgabe des vom Verfassungsgericht gefassten Beschlusses, die Stimmen neu auszuzählen, das Urteil rückgängig zu machen. Gleichzeitig lehnte er die Forderung mehrerer Politiker ab, Tiktok abzuschalten. Eine solche Maßnahme, melden übereinstimmend mehrere rumänische Medienportale, entspräche laut Moşteanu der Wiedereinführung der Zensur. Moşteanu forderte eine Überprüfung der Nutzung von Tiktok durch Georgescu, den er als einen „prorussischen“ Kandidaten bezeichnete.

Gegen den kometenhaften Aufstieg des rechtsradikalen Călin Georgescu protestierten in zahlreichen Städten kleine antifaschistische Gruppen, Bürgerrechtler und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen. Zum ersten Mal nach dem Untergang des kommunistischen Regimes 1989 gibt es im öffentlichen Raum Proteste gegen die Ausbreitung profaschistischer Parteien und Bewegungen, die am Sonntag einen großen Erfolg verbuchen könnten.

Sollten sich die Umfragewerte bewahrheiten, dann kämen die Rechtsextremisten auf bis zu 30 Prozent der Stimmen. Allen voran die Partei Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR) von George Simion, die Partei SOS Rumänien der EU-Abgeordneten Diana Şoşoacă, gefolgt von den bislang außer­parlamentarischen Gruppierungen, der Partei der Jungwähler (PAT) und der Partei der rumänischen Patrioten (PPR). All diese Gruppierungen organisierten Gegendemonstrationen, um, wie es in einem heuchlerischen Aufruf hieß, dem „Faschismus der Antifa“ entgegenzutreten.

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