Vor den Koalitionsverhandlungen: 60 Gründe, warum Rot-Schwarz scheitert
Noch nach der Wahl knüppelten SPD und CDU aufeinander ein. Und jetzt sollen die koalieren? Die taz dokumentiert 60 Gründe, warum Rot-Schwarz keine gute Idee ist
1 weil Klaus Wowereit nichts von Frank Henkel hält: "Ich habe den Eindruck, Sie leben in Parallelwelten, vor allen Dingen auch Herr Henkel von der CDU!" (Abgeordnetenhausrede vom 1. 9. 11)
2 weil Frank Henkel Berlin anders versteht als die SPD: "Berlin verstehen, das heißt für mich auch, die Berlinerinnen und Berliner zu verstehen, ihre Probleme und Sorgen. Das kann ich bei Ihrer Politik beileibe nicht erkennen!" (Abgeordnetenhausrede v. 1. 9. 11)
3 weil umgekehrt Wowereit bei Henkel kein Potenzial sieht: "Herr Henkel, etwas kritisieren ist eine Sache. Sie haben aber nur eine Chance, wenn Sie deutlich machen können, dass Sie eine bessere Politik für diese Stadt machen. Da sind Sie jede Antwort schuldig geblieben." (Abgeordnetenhausrede vom 1. 9. 11)
4 weil es mit der neuen Seriosität der CDU mit Amtsantritt sein Bewenden hat.
"Wir wollen eine solche Koalition nicht. Bei der SPD ist es so, dass von der Basis bis zur Spitze alle riesige Probleme haben, mit der CDU zusammenzuarbeiten"
Berlins SPD-Chef Michael Müller über Rot-Schwarz im taz-Interview am 19.8.2011.
5 weil die Kreide, die Henkel frisst, bald zur Neige geht.
6 weil die CDU nur den Berliner Stadtrand repräsentiert.
7 weil der linke SPD-Flügel mit dem rechten CDU-Flügel nie eine Dialogkultur entwickeln wird.
8 weil ein Innensenator Frank Henkel auch keine Autos löschen kann, bevor sie brennen.
Bei SPD und CDU laufen die Vorbereitungen für den Beginn der Koalitionsverhandlungen am Mittwoch nächster Woche. Über Termin und organisatorische Fragen hatten sich die beiden Seiten am Donnerstagabend verständigt.
Die Verhandlungskommissionen kommen erstmals am Mittwochvormittag im Roten Rathaus zusammen. Dann soll der Zeitplan festgezurrt und über die Arbeitsgruppen entschieden werden. Die CDU war aus der Abgeordnetenhauswahl als zweitstärkste Kraft hervorgegangen.
Die SPD will zügig verhandeln. Am 27. Oktober kommt das Abgeordnetenhaus zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Es wird davon ausgegangen, dass der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) frühestens am 24. November vom Parlament im Amt bestätigt werden kann. Die letzte Möglichkeit 2011 wäre die Plenarsitzung am 8. Dezember. (dapd)
9 weil Henkel vor allem auf eins brennt: mehr Polizei: "Wenn es Wowereits Verständnis von Berlin ist, dass jede Nacht Autos brennen, dann versteht er die Stadt nicht. Berlin verstehen heißt auch Berlin schützen." (Pressemitteilung vom 16. 8. 11)
10 weil Wowereit aber gegen einen "Überwachungsstaat à la Henkel und à la CDU" ist. "Wir wollen nicht an jeder Ecke eine Videokamera haben. Wir wollen auch nicht an jedem Baum einen Polizisten stehen haben." (Abgeordnetenhausrede vom 1. 9. 11)
11 weil Henkel Wowereit deshalb für einen Zauderer hält: "Ich erwarte von Herrn Wowereit endlich einen Aktionsplan, um diese Verbrecher zu stoppen. Der Kampf gegen die Brandanschläge auf Autos muss endlich politische Priorität erhalten." (Pressemitteilung vom 16. 8. 11)
12 weil Wowereit Henkel als Hardliner enttarnt: "Nur die Parole "Ich will aufräumen" - das reicht nicht. Da haben wir wieder den schwarzen Sheriff, den Sie lange in Watte gebettet hatten. Herr Henkel!" (Abgeordnetenhausrede vom 1. 9. 11)
13 weil die beiden nicht warm miteinander werden.
14 weil Henkel Schultheiss trinkt und Wowereit Rotwein.
15 weil die CDU den von der SPD auserkorenen neuen Polizeipräsidenten Udo Hansen nicht haben will: "Die Auswahl ist […] eher auf parteipolitische Gründe, Hansen ist SPD-Mitglied, zurückzuführen." Das sei ein "eklatanter Fall von Filz". (Presseerklärung des innenpolitischen Sprechers der CDU, Robbin Juhnke, vom 28. 6. 11)
16 weil die SPD ihren Hansen aber niemals fallen lassen wird. Das mussten schon die Grünen schmerzlich erfahren.
17 weil es in der Politik wie beim Roulette ist: Man setzt auf Rot oder Schwarz, wenn man gewinnen will.
18 weil die CDUler keine Zocker sind und eine "Schülerlotterie" ablehnen.
19 weil die von Rot-Rot eingeführten Gemeinschaftsschulen kein rot-schwarzes Gemeinschaftsprojekt werden.
20 weil die Union nicht will, dass Kleine von Großen lernen, etwa beim jahrgangübergeifenden Lernen in Grundschulen.
21 weil Henkel ganz allgemein nichts von der SPD-Schulpolitik hält und das auch ganz deutlich sagt: "Wir sagen ganz deutlich: Schluss mit Schülerlotterie, JÜL-Chaos und sonstigen Bildungsexperimenten." (Abgeordnetenhausrede vom 1. 9. 11)
22 weil die CDU eher an das Glück der Lehrer als an die Bildung der Schüler denkt: "Darüber hinaus wollen wir als einzige Partei die Verbeamtung der Lehrer, um Berlin wieder für diese Berufsgruppe attraktiv zu machen." (Presseerklärung des bildungspolitischen Sprechers der CDU-Fraktion, Sascha Steuer, vom 9. 9. 11)
23 weil man nur rot oder schwarz sehen kann, aber nicht beides gleichzeitig.
24 weil Frank Henkel 100 Prozent der CDU-Fraktion hinter sich hat.
25 weil Migrationsexperte Kurt Wansner (CDU) den Migrationsexperten Raed Saleh (SPD) nicht versteht.
26 weil Robbin Juhnke (CDU) beim Moscheebesuch vergisst, die Schuhe auszuziehen.
27 weil die SPD sich im Bundesrat für doppelte Staatsbürgerschaft und kommunales Ausländerwahlrecht einsetzen will, worüber die CDU nur lächeln kann.
28 weil Klaus Wowereit die CDU für schlecht integriert hält: "Haben Sie vergessen, dass es Ihre Partei ist, die Menschen in unserer Stadt die Gleichberechtigung vorenthält und den Migrantinnen und Migranten noch immer die Gleichstellung verweigert?" (Abgeordnetenhausrede vom 1. 9. 11)
29 weil die SPD eine Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld will und keinen Exerzierplatz für zusätzliche Polizisten.
30 weil die CDU-Basis immer noch in Tempelhof einchecken will.
31 weil die CDU die gerade erst eingeführte Kennzeichnungspflicht für Polizisten hasst wie die Pest: "Die Kennzeichnungspflicht muss abgeschafft werden. Bereits mit der früheren Regelung war sichergestellt, dass die Identität eines Polizisten intern ermittelt werden kann." (CDU-Wahlprogramm)
32 weil aber selbst konservative SPDler nicht von der Kennzeichnungspflicht abrücken wollen: "Das ist ein Punkt, wo die SPD aus meiner Sicht nicht rückwärtsgehen kann." (Der SPD-Abgeordnete Ralf Wieland in der "Abendschau" am 6. 10. 11)
33 weil die Radfahrer der Stadt gegen die Autopolitik der CDU den Aufstand wagen werden und in den Bürgerkrieg ziehen - oder ersatzweise zum Sitzstreik auf der neuen A 100 aufrufen.
34 weil die Verkehrspolitiker der SPD sich daher aus Frust eins hinter die Binde kippen wollen.
35 weil sie dann samt Bier in der Hand mit Bus und Bahn nach Hause wollen.
36 weil die CDU das verbieten will: "Ein Verbot des Konsums von Alkohol im öffentlichen Nahverkehr ist ein wichtiger Beitrag für mehr Sicherheit - und auch Sauberkeit." (Pressemitteilung des innenpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion, Robbin Juhnke, 1. 9. 2011)
37 weil die Landesgeschäftsstellen von SPD und CDU weiter entfernt sind als die von SPD und Grünen.
38 weil Rot-Schwarz die Farben der Anarchisten sind.
39 weil Kreuzberg unter einem CDU-Innensenator am 1. Mai wieder richtig brennen wird. Die Autonomen müssen nicht erst was von "Wer hat uns verraten …" faseln, sondern können gleich zur Tat schreiten.
40 weil die nächsten Chaostage anstehen: bei der S-Bahn.
41 weil die SPD die S-Bahn nicht ausschreiben will, die CDU aber doch.
42 weil die CDU noch von der Westtangente träumt. So könnte sie über eine Autobahn fast bis vor ihre Bundeszentrale düsen.
43 weil das selbst den Autobahnfans in der SPD zu weit ginge. Obwohl, zum Willy-Brandt-Haus am Halleschen Tor käme man dann auch ganz fix. Hier geht vielleicht doch noch was.
44 weil Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) die Autobahnverlängerung beerdigen wird - und dann hätten SPD und CDU gar kein Projekt mehr, das sie vereint.
45 weil viele CDU-Abgeordnete das Berghain für einen Jodelkeller halten.
46 weil CDUler und SPDler etwas anderes unter bezahlbaren Mieten verstehen.
47 weil die CDU sich wirklich über Papstbesuche freut.
48 weil der Wassertisch eine neue Herausforderung sucht und ein Volksbegehren für Neuwahlen startet.
49 weil die SPD Touristen zur Kasse bitten will, die CDU aber davon gar nichts hält.
50 weil die CDU nur Teppichhändler in ihren Reihen hat, die SPD aber Immobilienhaie.
51 weil die Sozialdemokraten in den Sitzungspausen der Ausschüsse dann immer zur Opposition rübermüssen, um zu quatschen.
52 weil der Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) schon die Koalitionsgespräche begrüßt.
53 weil die CDU das SPD-Misstrauensvotum gegen Eberhard Diepgen 2001 nicht vergessen hat.
54 weil die CDU-Kulturpolitikerin Monika Grütters für den Tempelhofer Klaus Wowereit zu intellektuell ist.
55 weil: Klaus Wowereit!
56 weil: Klaus Wowereit!!!
57 weil: Klaus Wowereit!!!!!
58 weil die linkeste Opposition aller Zeiten (Grüne, Linkspartei und Piraten) das Parlament aus den Angeln hebt.
59 weil Klaus Wowereit irgendwann in den nächsten Jahren in den Bund geht und der Laden dann sowieso auseinanderfliegt.
60 weil mindestens elf Sozis ihrem Regierenden bei der Wahl die Stimme verweigern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt