piwik no script img

Vor dem EU-Gipfel in BrüsselAlle wollen Europa retten

Der Brexit als Chance: Gegen das Sparprogramm und eine wachsende Bürokratie soll sich die EU neu erfinden.

Das alte Europa: Bundeskanzlerin Angela Merkel mit EU-Ratspräsident Donald Tusk in Berlin Foto: reuters

Brüssel taz | Nach dem Brexit-Referendum zittert ganz Europa um den Bestand der EU. Ganz Europa? Nein, ein paar unverbesserliche, überzeugte Europäer sehen in der Krise eine Chance. Zu ihrem Wortführer hat sich der italienische Regierungschef Matteo Renzi gemacht.

Der Brexit sei eine „große Gelegenheit“, sagte der Sozialdemokrat am Montag in Rom, bevor er zu einem Vor-EU-Gipfel-Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel in Berlin aufbrach. „Mehr Wachstum und mehr Investitionen, weniger Austerität und weniger Bürokratie“ – das ist das Programm, das Renzi nun umsetzen will.

Ähnlich argumentieren die Franzosen. Premierminister Manuel Valls feierte die Gelegenheit sogar auf einem Tweet: “Mit Matteo Renzi: Frankreich und Italien sind vereint und entschlossen, zusammen für die Zukunft Europas zu handeln.“ Allerdings tritt Staatspräsident Francois Hollande wesentlich vorsichtiger auf.

Ob es Hollande und Renzi schaffen werden, einen Neustart in der EU hinzulegen, bezweifeln viele in Brüssel. Schließlich hat Merkel schon betont, dass sie am „bewährten“ Sparkurs in der EU festhalten und keine große Reform der Eurozone einleiten will.

Kontinuität statt Neustart

Rückendeckung bekommen die Reformer dagegen aus der Zivilgesellschaft und aus dem Europaparlament. Aktive und ehemalige Europapolitiker wie Joschka Fischer, Michel Barnier, Daniel Cohn-Bendit und Künstler und Intellektuelle wie Robert Menasse und David van Reybrouck haben eine „Roadmap für eine europäische Renaissance“ veröffentlicht.

Darin fordern sie eine „Stärkung der Demokratie und des europäischen Bürgerengagements“, eine „Strategie für die Aufnahme und die Integration von Flüchtlingen sowie gegebenenfalls für die Rückkehr in ihre Heimatländer“ und die Schaffung eines Erasmus-Programms für Schüler, „um die Möglichkeit zu schaffen, alle jungen Menschen einer Generation zusammenzubringen.“

Wenn die EU jetzt nicht einen Neustart versuche, dann werde die Verdrossenheit weiter zunehmen und „die Gefahr einer Implosion der Union und des Rückgangs unserer demokratischen Errungenschaften wachsen“, warnen die Unterzeichner.

Bisher sieht es allerdings nicht so aus, als würden die Pro-Europäer erhört. Vom EU-Gipfel in Brüssel werden jedenfalls keine großen Beschlüsse erwartet. Denn Merkel und vielen anderen Chefs geht es vor allem darum, den EU-Club zusammenzuhalten. Statt auf einen Neustart setzen sie auf Kontinuität.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Tja, das, was fehlt auf diesem elitären EU Gipfel ist die Wiederbelebung der EU als ein Friedensbündnis.. das Ende der Sanktionen gegen die russische Zivilgesellschaft.. eine Erneuerung der Brandt´schen Politikkultur der Annäherung .. ein NEIN zur Profitökonomie und zur Spekulation..

    Ist zu hoffen, das Cohn Bendit usw an Gehör gewinnt...

  • Der EU-Gipfel wie andere Zusammenkünfte werden zu Pflichtübungen begleitet vom gewohnten offiziellen Politsprech, mehr nicht. Es sei den, die beteiligten führenden Politiker verfügen über magische oder telepathische Kräfte. Und das Volk erwartet von ihnen ohnehin nicht viel.

    Die harte Politik der Austertät wird weiter verfolgt, denn ohne sie würde das Eurosystem zusammenbrechen - also keine Änderung des aktuellen Kurses. Alles andere ist nur aufhübschender Diskurs. Und dem Volk wird weiterhin das Märchen von der "europäischen Konstruktion" erzählt.