Vor Präsidentschaftswahl in Sambia: Wahlkampf zerreißt das Land
Präsident Lungu und sein Herausforderer Hichilema ringen schon zum dritten Mal um das Spitzenamt. Eine Niederlage kann sich keiner vorstellen.
Lusaka taz | Das südliche Afrika gilt als relativ stabil im Vergleich zum Rest des Kontinents, und Sambia, das Land mit dem Motto „Ein Sambia, ein Nation“ und lange Zeit „Frontstaat“ gegen Apartheid und Kolonialismus ringsum, steht in der Region für Frieden und Harmonie. Doch während Mosambik in einem neuen Bürgerkrieg versinkt, eSwatini (Swaziland) von Unruhen erschüttert wird und Südafrika sich gerade von den schwersten Gewaltakten seit Ende der Apartheid mit über 300 Toten erholt, könnte auch Sambias Wahl nunmehr in eine blutige Krise münden.
Kein Wahlkampf seit der Unabhängigkeit 1964 hat Sambia so tief gespalten wie dieser, der bereits Dutzende Tote gefordert hat. Die regierende PF (Patriotic Front) von Präsident Edgar Chagwa Lungu und die oppositionelle UPND (United Party for National Development) des Geschäftsmanns Haikande Hichilema scheinen sich mehr auf Krieg als auf eine friedliche Wahl vorzubereiten, und sie betreiben beide den hässlichsten Wahlkampf seit Menschengedenken, mit Propaganda und gegenseitigen Schmähungen.
Erst am vergangenen Donnerstag entging UPND-Vizepräsidentschaftskandidatin Mutale Nalumango nach eigenen Angaben einem Mordanschlag in der nördlichen Provinz Luapula. Nalumango berichtete, schwerbewaffnete Polizei habe ihren Autokonvoi gejagt und mit Tränengas und scharfer Munition auf sie geschossen, als sie den Palast eines traditionellen Führers verließ, dem sie einen Höflichkeitsbesuch abgestattet hatte. Sie sei „guter Dinge und bereit dazu, ihr Engagement mit der Wählerschaft fortzusetzen“, erklärte ihre Partei danach.
Es war eine Woche, in der erstmals Sambias Armee ausgerückt war, um die Polizei gegen Gewalt im Wahlkampf zu unterstützen, nachdem die Regierung der Opposition vorgeworfen hatte, massive Störungen des Wahltags vorzubereiten. Was dann folgte, zeugte davon, wie spiegelbildlich dieser Wahlkampf verläuft: ein mutmaßlicher Gewalttäter wurde verhaftet – und die beiden großen Parteien behaupteten beide, der Mann gehöre zur jeweiligen Gegenseite.
Dubiose Lieferung von Wahlzetteln
Der Mann mit einer Halloween-Zombie-Gesichtsmaske und einer Ansammlung von Waffen wurde im Stadtteil Kanyama der Hauptstadt Lusaka festgenommen. Die regierende PF sprach von einem UPND-„Schläger“, der bereits für die Ermordung der PF-Aktivisten Danny Kasongo und Davies Kabunda in Kanyama verantwortlich gewesen sei – der Vorfall, der unmittelbar zum Einsatz der Armee führte.
Die oppositionelle UPND sprach von einem „berüchtigten PF-Kader“, den die Armee festgesetzt habe, nachdem er die Menschen in seinem Wohlviertel terrorisierte. Die Behörden scheinen derweil nicht in der Lage zu sein, die Identität des Festgenommenen zu klären.
Nicht weniger mysteriös gestaltete sich die Anlieferung der Wahlzettel, die in Dubai gedruckt worden sind und deren letzte Lieferung am 30. Juli am internationalen Flughafen „Kenneth Kaunda“ von Lusaka eintraf. Es war ein eigens von der Wahlkommission gechartertes Flugzeug – aber nach der Landung kam die wenige bekannte Firma Lee Bridge Limited und erhob Anspruch auf eine Fracht von Mobiltelefonen und Elektronikgeräten, die sich regelwidrig im selben Flugzeug befand.
Es kursieren Behauptungen, dass zu wenig Wahlzettel angeliefert wurden. Die Wahlkommission hat nun die Elektronikfracht beschlagnahmt und am Flughafen eingelagert. Die Firma hat dem zugestimmt, „um zur Integrität der Wahlen beizutragen“.
„Gewalt, Hassreden, Polarisierung und spalterische Rhetorik haben in einer Demokratie keinen Platz“
Derweil kübeln die beiden großen Parteien übereinander her. Die UPND behauptet, über Informationen zu verfügen, dass die Polizei und die PF dem UPND-Jugendsekretariat Waffen und Marihuana unterschieben wolle, um UPND-Jugendführer Gilbert Liswaniso zu inkriminieren. „Es ist kein Geheimnis, dass die PF eine Menschenjagd begonnen hat, um Jugendführer zu verhaften und den starken Wind des Wandels zu stoppen, der durch das Land bläst“, behauptete die Partei. „Es ist unter der PF zum Trend geworden, dass Parteikader unter fiktiven Vorwürfen festgenommen werden, um sie auszuschalten.“
Zuvor hatte die PF der UPND vorgeworfen, angesichts ihrer bevorstehenden Niederlage Jugendliche zu trainieren, um Gewalt und Chaos zu schüren und damit die Wahlen zu stoppen.
Proteste möglich
Knappe Wahlumfragen erhöhen die Spannung. Eine von einem in Afrika respektierten Meinungsforschungsinstitut gibt Amtsinhaber Lungu einen klaren Sieg mit 500.000 Stimmen Vorsprung vor Hichilema – Sambia hat rund 19 Millionen Einwohner, von denen gut 8 Millionen im Wahlregister stehen. Bei der letzten Wahl 2016 hatte Lungu mit nur 100.000 Stimmen Vorsprung gewonnen, ein Vorsprung von unter 3 Prozentpunkten. Das hatte zu Fälschungsvorwürfen und Protesten geführt.
Mit Protesten ist auch jetzt zu rechnen, sollte Hichilema – der schon zum dritten Mal gegen Lungu antritt – erneut zum Verlierer gekürt werden. „Die UPND und alle Sambier werden ihre Stimme mit allen gesetzlichen Mitteln verteidigen und werden sicherstellen, dass die Wahlmanager, in diesem Fall die Wahlkommission, eine korrekte Wiedergabe des Volkswillens liefert“, sagte UPND-Generalsekretär Batuke Imenda. Aber aus PF-Sicht kommt eine Niederlage überhaupt nicht in Frage.
Als PF-Sprecher Amos Chanda gefragt wurde, ob die Regierungspartei im Fall einer Niederlage die Macht abgeben werde, antwortete er im Regierungsgebäude von Lusaka: „Man kann nicht die Macht abgeben, wenn man gewinnt. Wir können nicht über eine Machtübergabe sprechen, denn wir sehen Kontinuität“.
Es mehren sich nun die internationalen Aufrufe zu einer friedlichen Wahl. „Seit der Unabhängigkeit ist Sambia ein Leuchtturm des Friedens in der Region und auf dem Kontinent gewesen“, sagte die UN-Koordinatorin für Sambia, Coumba Mar Gadio. „Frieden in Sambia ist kostbar und sollte bewahrt werden. Gewalt, Hassreden, Polarisierung und spalterische Rhetorik haben in einer Demokratie keinen Platz.“
David Young, der US-Botschafter in Sambia, erinnerte an die laufenden US-Finanzhilfen für Wahlen und demokratische Institutionen in Sambia und warnte: „Wenn Menschenrechte und demokratische Freiheiten verletzt werden, können und werden die USA Visarestriktionen, Reiseverbote und Finanzsanktionen verhängen. Wir werden jeden, der Gewalt fördert, den Wahlprozess untergräbt, fälscht oder korrumpiert oder sonst wie demokratische Rechte bricht, zur Rechenschaft ziehen.“