Vor Familiensynode in Rom: Vatikan-Theologe outet sich als schwul
Einen Tag vor Beginn der Familiensynode im Vatikan outet sich ein dort tätiger Theologe als schwul. Der Heilige Stuhl entließ ihn umgehend aus allen Ämtern.
![Mann in schwarzem Priesterrock vor Mikrofonen Mann in schwarzem Priesterrock vor Mikrofonen](https://taz.de/picture/698697/14/20151003-Charamsa.jpg)
Charamsa lebt seit 17 Jahren in Rom und ist Assistenzsekretär der Internationalen Theologischen Kommission im Vatikan, die an die Glaubenskongregation der Kurie angegliedert ist. Er unterrichtet Theologie unter anderem an der Päpstlichen Universität Gregoriana. Laut Zeitung ist er der erste Theologe mit einer aktiven Rolle im Vatikan, der sich zu seiner Homosexualität bekennt.
Vatikan-Sprecher Federico Lombardi erklärte, Charamsa werde seine bisherigen Aufgaben bei der Glaubenskongregation und den Päpstlichen Universitäten nun nicht weiter ausüben können. Alle anderen Aspekte seien Angelegenheit seiner Diözese. Dabei handelt es sich laut Presseberichten um Pelplin südlich von Danzig.
Sichtlich verärgert reagierte Lombardi auf den von Charamsa gewählten Zeitpunkt für das Outing. „Die Entscheidung, eine solch aufsehenerregende Äußerung am Vortag der Eröffnung der Synode abzugeben, erscheint sehr schwer und unverantwortlich, denn sie zielt darauf, die Synodenversammlung einem ungebührlichen Mediendruck zu unterwerfen“, hieß es in einer am Samstag vom Vatikan verbreiteten Erklärung.
„Homosexuelle Liebe braucht Familie“
„Ich werde mir jetzt Arbeit suchen“, sagte Charamsa bei einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz mit seinem Lebensgefährten Eduardo am Samstag in Rom. „Ich widme mein Coming-out den so überaus vielen homosexuellen Priestern, die nicht die Kraft haben, aus dem Kleiderschrank zu kommen“, sagte er weiter. Die von dem deutschen Kardinal Gerhard Ludwig Müller geleitete Glaubenskongregation bezeichnete der Pole als „das Herz der Homophobie in der katholischen Kirche, einer verschärften und paranoiden Homophobie“.
In dem Zeitungsinterview hatte Charamsa versichert, dass er den Zeitpunkt für seinen öffentlichen Auftritt bewusst gewählt habe. „Ja, ich möchte der Synode sagen, dass die homosexuelle Liebe eine familiäre Liebe ist, dass sie Familie braucht“, sagte er.
Im Vatikan beraten von diesem Sonntag an 270 Bischöfe über Fragen der Ehe und Familie. Drei Wochen lang geht es unter anderem um heikle Themen wie den Umgang mit Homosexuellen und wiederverheirateten Geschiedenen sowie die Haltung zu Abtreibung oder Verhütung. Die Erwartungen an das Treffen sind hoch. Es gilt als wegweisend für den zukünftigen Kurs der katholischen Kirche unter Papst Franziskus.
Den Papst bezeichnete Charamsa als „fantastisch“. „Er hat uns die Schönheit des Dialogs wiederentdecken lassen“, sagte er. Harte Worte fand er für sein Heimatland. „Mein geliebtes Polen, ein Land mit jahrhundertelanger Tradition der Toleranz, ist ein schreckliches Land für Schwule“, sage er dem Nachrichtenmagazin Newsweek.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links