Vor EU-China-Gipfel: China hebt Sanktionen gegen deutschen Grünen-Politiker auf
Als scharfer Kritiker der chinesischen Staatsführung stand Reinhard Bütikofer jahrelang auf einer Sanktionsliste. Jetzt will China deeskalieren.

China und das Europäische Parlament hätten beschlossen, sämtliche Beschränkungen für den gegenseitigen Austausch gleichzeitig aufzuheben, sagte ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums. Man hoffe, mit der vollständigen Wiederaufnahme des legislativen Austauschs „die gegenseitigen Kontakte und das Verständnis zu vertiefen“ und den Beziehungen „neue Impulse zu verleihen“.
Mit den Strafmaßnahmen gegen Bütikofer und weitere Personen und Organisationen hatte China 2021 auf EU-Sanktionen wegen der Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren in der chinesischen Region Xinjiang reagiert. Den betroffenen Personen und ihren Familien war danach die Einreise nach Festlandchina, Hongkong und Macau untersagt. Zudem durften sie sowie mit ihnen verbundene Unternehmen und Einrichtungen keine Geschäfte mit China tätigen. In der EU wurde als Reaktion unter anderem der Prozess zum Abschluss eines bereits ausgehandelten Investitionsabkommens auf Eis gelegt.
In einem ersten Schritt von Deeskalationsbemühungen hatte China bereits im April die Sanktionen gegen amtierende Europaabgeordnete wieder aufgehoben. Gegen den 72-jährigen Bütikofer blieben sie allerdings zunächst bestehen, weil er 2024 nach rund 15 Jahren aus dem Parlament ausgeschieden war und die Parlamentsspitze zunächst nur für derzeitige Abgeordnete verhandelt hatte.
Peking richtet EU-China-Gipfel aus
Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur bestätigte Bütikofer, dass er und seine Familie nicht mehr von Strafmaßnahmen betroffen sind. Zugleich äußerte er allerdings Unverständnis darüber, dass zum Beispiel das in Berlin ansässige Mercator-Institut für China-Studien (Merics) weiterhin betroffen ist. „Pekings Umgang mit seinen 2021 willkürlich verhängten Sanktionen ist ein orientierungsloses Gestolper“, kritisierte der frühere Bundesvorsitzende der Grünen. Offenbar fehle dort die politische Kraft, die „absurde Peinlichkeit“ einfach insgesamt zu beenden.
Aus dem Büro von Parlamentspräsidentin Metsola hieß es diplomatisch, man wolle den noch immer bestehenden Herausforderungen im Verhältnis mit China mit Dialog und Engagement begegnen. Insbesondere betreffe dies unfaire Handelspraktiken, Einschränkungen für europäische Unternehmen und Fragen der Menschenrechte.
Unklar blieb zunächst, ob die jüngsten Sanktionsaufhebungen möglicherweise auch in Verbindung mit einem EU-China-Gipfel stehen, der am Donnerstag kommender Woche in Peking ausgerichtet werden soll. Bei ihm will Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident António Costa treffen.
Xi muss derzeit fürchten, dass die EU versucht, in wichtigen Wirtschaftsbereichen deutlich unabhängiger von seinem Land zu werden. Grund ist unter anderem der Vorwurf, dass China Russlands Krieg gegen die Ukraine unterstützt und unfaire Subventions- und Handelspraktiken nutzt.
Vom Maoisten zum Menschenrechtspolitiker
Reinhard Bütikofers politische Karriere begann in den 1970er Jahren im maoistischen Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW). Seinerzeit war er auch in der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft (GDCF) aktiv. Seit 1984 Mitglied der Grünen, stand er von 2002 bis 2008 an der Spitze der Partei.
2009 zog Bütikofer als Spitzenkandidat für die Grünen ins Europäische Parlament ein, dem er bis 2024 angehörte. Von 2012 bis 2019 stand er der Europäischen Grünen Partei vor. Im EU-Parlament profilierte sich Bütikofer als Menschenrechtspolitiker und scharfer Kritiker der Staatsführung Chinas. So setzte er sich für EU-Sanktionen gegen chinesische Verantwortliche für Menschenrechtsverletzungen gegen die uigurische Minderheit ein.
Über den Amtsantritt Xi Jinpings im Jahr 2012 sagte Bütikofer, er sei „nahezu einem Regimewechsel“ gleichgekommen. In einem Interview 2021 sprach der Grüne von einer „Rolle rückwärts vom Autoritarismus einer kommunistischen Aristokratie zum Totalitarismus eines Parteikaisertums“. 2023 führte er in einem anderen Interview aus, es gehe Peking um „globale Hegemonie für die unerschütterliche Herrschaft der Kommunistischen Partei“. Das China Xi Jinpings setze nicht auf Partnerschaft, sondern auf Dominanz. Partnerschaft sei „nur so lange willkommen, solange sie Vorteile bringt; andernfalls ist sie am Ende“.
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