Vor Abstimmung in der Knesset: Showdown zu Israels Justizreform
Am Montag will die rechte Koalition im Parlament das oberste Gericht entmachten. Massenproteste gehen weiter, mehr Soldaten verweigern den Dienst.
Gegen die Reform – und das Unangemessenheitsgesetz ist erst der erste Schritt zu einer weitergehenden Entmachtung der Justiz – gingen am Samstag nach Medienschätzungen in Tel Aviv rund 170.000 und in Jerusalem 85.000 Menschen auf die Straße.
Rund 10.000 Reservist*innen erklärten, aus Protest gegen die von der rechtsreligiösen Regierung geplante Justizreform ihren Dienst zu verweigern – und offenbar nicht nur sie. Aus Militärkreisen erfuhren israelische Medien auch von Spezialeinheiten, deren Offiziere ihren Dienst entweder nicht mehr ausführen oder ihren Vertrag schnellstmöglich kündigen wollen. Die Einsatzbereitschaft der Armee sei ernsthaft gefährdet, hieß es.
Auch am Sonntag gingen die Proteste unvermindert weiter, und weitere Berufsgruppen schlossen sich an. Die Ärztevereinigung erklärte ihre geschlossene Gegnerschaft zur Justizreform und kündigte an, im Fall ihrer Verabschiedung dagegen vor Gericht ziehen zu wollen.
Iran spottet über „Krise im Herzen des zionistischen Regimes“
Dessen ungeachtet erfuhr Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu in einem Krankenhaus in Tel Aviv offenbar eine gute Behandlung, als ihm in den vergangenen Tagen ein Herzschrittmacher eingesetzt wurde. Ihm ginge es gut, erklärten die behandelnden Ärzte. Netanjahu plant, bei der Abstimmung über das Gesetz am Montag früh dabei zu sein. Ein Sprecher der iranischen Regierung spottete: „Es ist klar, dass die Krise im Herzen des zionistischen Regimes tiefer geht als die im Herzen des Premierministers.“
Unterdessen wächst der Druck der Protestbewegung auf die Gewerkschaften, auch mit Streikmaßnahmen gegen die Justizreform anzugehen. Ein vom Gewerkschaftsdachverband Histradut zusammen mit dem Chef des Unternehmerverbandes vorgelegter Kompromissvorschlag, nachdem das Unangemessenheitsgesetz in abgeschwächter Form und andere Teile der Reform vorerst überhaupt nicht verabschiedet werden sollten, wurden am Wochenende sowohl von Netanjahus Regierungspartei Likud als auch von der Protestbewegung abgelehnt.
Bei der Parlamentsdebatte forderte Benny Gantz von der oppositionellen Partei Nationale Einheit, jegliche Abstimmung abzusagen, bevor nicht ein nationaler Konsens hergestellt sei. An die Regierungskoalition gewandt sagte Gantz: „Es darf ihnen nicht erlaubt werden, den Staat Israel kaputtzumachen. Es ist an der Zeit, wirkliche Führungskraft zu zeigen. Wir stehen einer großen akuten Gefahr gegenüber.“
Netanjahu hatte nach ersten großen Protesten im März das Projekt der Reform zunächst ausgesetzt – will es jetzt aber unbeirrt umsetzen. Er argumentiert stets, die Reform schwäche nicht die Demokratie, sondern stärke sie gegen übergriffige Richter.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche