: Von der Mine bis zum Schrott
VW präsentiert die Ökobilanz für ein Auto von der Rohstoffgewinnung über die Herstellung und Nutzung bis hin zur Entsorgung ■ Von Pieter Poldervaart
Volkswagen hat die Ökobilanz für ein Autoleben berechnet. Eingegangen in die Datenbasis sind die Umweltbelastungen durch Herstellung, Nutzung und Entsorgung eines Personenwagens. Trotz Schwächen liefert die Erhebung eine Grundlage, um Autos ökoeffizienter konstruieren zu können.
Knapp 36 Tonnen Co2, 165 Kilogramm flüchtige organische Verbindungen (VOC) und 26 Kilogramm Stickoxide gelangen während eines Autolebens in die Atmosphäre, heizen damit das Klima auf und fördern die Ozonbildung. Auch reichlich Wasser wird durch jedes Auto verschmutzt. Laut VW gehen bei der Rohstofförderung, Produktion und schließlich fürs Waschen über 100 Kubikmeter Wasser drauf.
Als Basis für die Ökobilanz diente Volkswagen ein Golf A3 des Modelljahrs 1994. Das Gefährt hat vier Türen, einen 1,8-Liter-Ottomotor und ein 5-Gang-Schaltgetriebe. 150.000 Kilometer legt das Modellauto zurück, was einer Betriebsdauer von zehn Jahren entspricht. Insgesamt 454 Gigajoule, das sind umgerechnet 150 Megawattstunden, verbraucht ein einziges Auto. Als wichtigstes Ergebnis der Bilanz nennen die Autoren von VW und vom Institut für Kunststoffprüfung an der Universität Stuttgart die Tatsache, daß etwa vier Fünftel der insgesamt aufgewendeten Energie auf die Nutzungsphase, also das Fahren des Autos, entfallen. Mit 6 Prozent überraschend groß ist jedoch auch der Energieaufwand für die Bereitstellung der Werkstoffe. Nur vier Prozent der Energie verbraucht die eigentliche Produktion des PKWs, während die Entsorgung mit nicht einmal einem halben Prozent zu Buche schlägt. Und damit Erdöl von der Ölplattform via Pipeline oder Tanker als raffiniertes Benzin aus der Zapfpistole sprudelt, sind zehn Prozent des gesamten Energieaufwands für ein Auto vonnöten.
Nicht nur bezüglich Energie, auch punkto Abfall und Wasserverbrauch wurden die Ökokosten für die Bereitstellung der Rohstoffe bisher unterschätzt. 56 Kubikmeter Brauchwasser werden allein bei der Gewinnung von Stahl und Edelmetallen pro Fahrzeug verbraucht. Und dort, wo das Eisenerz abgebaut wird, bleibt ein neun Tonnen schwerer Fels- und Geröllerg zurück, der nicht zur Erzgewinnung genutzt werden kann. Weniger problematisch bewertet die Studie dagegen die Entsorgung, bei der mit einer Recyclingrate von 75 Prozent gerechnet wird. Ein offenes Geheimnis ist der Export deutscher Altautos in Ostländer, in denen es oft keine fachgerechte Entsorgung gibt.
VW will Autos besser konstruieren
„Ein Anfang für vergleichende Gegenüberstellungen ist gemacht, doch viele Daten konnten noch nicht erfaßt werden“, betont einer der Forscher. Unberücksichtigt in der Ökobilanz blieb etwa der Aufbau der Fertigungshallen, die Entwicklung und Produktion von Robotern und Maschinen, aber auch die gesamte Administration des Betriebs. Nicht integriert hat man auch die Umweltbelastung durch Bau und Unterhalt von Straßen.
Auf einen Vergleich mit anderen Transportmitteln wie etwa der Eisenbahn hat die VW-Studie ebenfalls verzichtet. Die Zahlen sollen schließlich dazu dienen, die Konstruktion zukünftiger Modelle umwelttechnisch zu optimieren. Als Beispiel nennt VW-Umweltpressesprecher Günther Scherelis, daß die Auswahl von Werkstoffen gesteuert werden könne und außerdem weiter an der Verbrauchsminderung geforscht werden müsse – denn wenn 80 Prozent des Energieverbrauchs auf die Nutzung entfallen, ist klar, wo angesetzt werden sollte.
Neue Antriebsstoffe wie Erdgas (800 verkaufte Fahrzeuge) und Strom (200 Elektroautos) sind angesichts der von VW täglich weltweit produzierten 14.500 PKW bisher jedoch praktisch bedeutungslos. Trotz 4.000 verkauften Golf- Ecomatic wurde die Version mit einem „Schwung-Nutz-Konzept“ mangels Nachfrage wieder eingestellt.
3-Liter-Auto nützt der Umwelt nur kurzfristig
VW behauptet allerdings auch, daß die Anstrengungen des Konzerns in Richtung eines niedrigeren Benzin- und Dieselverbrauchs gingen. Als Beleg führt die Presseabteilung den Passat an: Obwohl er heute um ein Drittel schwerer ist als das erste Modell aus dem Jahr 1980, verbraucht er mit 7,3 Liter deutlich weniger Sprit als die ursprünglichen 8,55 Liter.
Wird dazu noch der Motor optimiert, etwa mit einem Turbodiesel-Direkteinspritzer, sei das 3-Liter-Auto bis zur Jahrtausendwende kein Problem mehr, verkündete VW bei einem Kongreß im November. Ein Viersitzer, sicher und komfortabel, mit Höchstgeschwindigkeiten von über 130 Kilometer in der Stunde soll es sein, der in der bisherigen Preisklasse liegt, versprach Günther Scherelis. „Es wird ein vollwertiges Auto sein, das VW als erster Hersteller der Welt präsentieren wird.“
Doch viele Umweltschützer bleiben solch euphorischen Meldungen gegenüber skeptisch. Und das zu Recht, wie ein Forscherteam der Technischen Universitäten Wien und Graz bestätigt. Die Wissenschaftler haben gezeigt, daß bei einer stufenweisen weltweiten Einführung des 3-Liter-Autos der CO2-Ausstoß aus dem motorisierten Privatverkehr im Jahr 2020 um 27 Prozent niedriger gegenüber einem Vergleichsszenario läge. Doch weil die Zahl der Autos und damit der weltweite CO2-Ausstoß aus dem PKW-Verkehr drastisch zunimmt, stiege die Kurve bereits im Jahr 2010 gegenüber heute weiter an.
Der PKW-Verkehr ist laut den Österreichern derzeit weltweit für 5,5 Prozent der vom Menschen verursachten CO2-Emission verantwortlich. Die 27prozentige Reduktion dank dem Sparmobil schlägt somit mit ein bis zwei Prozent weniger CO2 zu Buche. Trotzdem lohne sich die Entwicklung des 3-Liter-Autos: Die bis zum Jahr 2020 eingesparte Menge Benzin entspreche dem fünffachen Bedarf des heutigen weltweiten PKW-Verkehrs.
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