: Von Chicago an die Spree
Gesichter der Großstadt: Hans-Georg Knopp ist neuer Direktor des Hauses der Kulturen der Welt. Fasziniert vom Tempo der Veränderung der Stadt ■ Von Miriam Hoffmeyer
Hans-Georg Knopp ist in seinem Leben zuviel gereist, um noch viel Ballast mit sich herumzuschleppen. Nur einen einzigen Gegenstand hat der neue Leiter des Hauses der Kulturen der Welt in sein Büro mitgebracht: eine Bauzeichnung des Sony-Gebäudes am Potsdamer Platz, die ihm der Architekt Helmut Jahn geschenkt hat. Liebevoll verstaut Knopp den kostbaren Papierbogen wieder in der Hülle – noch hat er keine Zeit gehabt, ihn aufzuhängen. Eine Besprechung jagt die nächste, denn in diesen Wochen wird entschieden, welche Schwerpunkte das Haus im nächsten Jahr setzt und wie es die Etatkürzung um 800.000 Mark überstehen kann.
Wenn er unter Streß leidet, sieht man es dem neuen Direktor jedenfalls nicht an. Leichtfüßig eilt der 51jährige durch sein denkmalgeschütztes Reich, setzt sich auf der Dachterrasse der Kongreßhalle in Positur und strahlt den Fotografen an: „Darf ich lachen? Oder muß ich ernst schauen?“ Knopps unkomplizierte Freundlichkeit wirkt sehr amerikanisch. An den oft verkniffenen Ernst deutscher Debatten hat er sich noch nicht recht gewöhnt: „In den USA kann man höflich sein und trotzdem seine Meinung sagen.“
Bis vor kurzem hat Hans-Georg Knopp das Goethe-Institut in Chicago geleitet und dort auch an Projekten mitgearbeitet, die verschiedenen ethnischen Communities einander näherzubringen. Solche Brücken zwischen den Kulturen würden auch in Berlin immer wichtiger, meint er: „Hier werden in den nächsten Jahren noch sehr viel mehr Ausländer hinziehen. Berlin hat eine Vorreiterrolle in Deutschland, man muß hier sensibler und aufgeschlossener sein als anderswo.“ Der Begriff „Multikulti“ ist ihm trotzdem etwas suspekt: „Das klingt fast zu schön, es vertuscht die Probleme, die es ja auch gibt.“
Das rasante Tempo, in dem sich Berlin verändert, hat Hans-Georg Knopp hierhergezogen – und nicht etwa der Wunsch, nach langen Jahren des Reisens nun in Deutschland seßhaft zu werden. Die lebensfrohe Neugier, mit der er vor zwanzig Jahren seine erste Stelle in Indien antrat, hat er sich unverkennbar bis heute bewahrt. „Ich habe meine Hobbys – reisen und fremde Kulturen kennenlernen – zum Beruf gemacht.“ Vier Jahre hat Knopp beim Goethe-Institut in Bombay gearbeitet, ein Jahr in Singapur und fünf Jahre in Jakarta. Seine Frau konnte überall als DAAD-Lektorin arbeiten, und auch die beiden Kinder hätten den häufigen Ortswechsel gut verkraftet, meint er: „Der Begriff der Heimat hat sich in unserer Zeit verändert, menschliche Beziehungen sind viel wichtiger als bestimmte Orte.“
Asien hat Hans-Georg Knopp schon als Kind fasziniert. Der Arztsohn aus Detmold las mit Begeisterung Reiseberichte und Bücher über den Buddhismus. Ein paar Semester lang studierte er Theologie – „nur wegen Hebräisch und Griechisch“, versichert er eilig – und wechselte dann zu der Fächerkombination Indologie, Arabistik, Soziologie und Politologie. Gleich nach der Promotion an der Universität Gießen begann er seine Ausbildung am Goethe-Institut. Knopp hat in seinem Leben dreizehn Fremdsprachen gelernt. Die meisten habe er wieder vergessen, meint er bedauernd, „aber wir sprechen heute noch oft Indonesisch zu Hause“.
Asiatische Länder werden im nächsten Jahr die Schwerpunktthemen im Haus der Kulturen der Welt sein. Geplant ist unter anderem eine Veranstaltungsreihe über die „Tigerstaaten“ Ostasiens. Wegen der Kürzungen werden viele kleine Veranstaltungen im Haus der Kulturen der Welt wegfallen müssen. „Wir machen dafür umfangreichere Themenblöcke – lieber weniger, aber dafür richtig“, sagt Knopp. Unter seiner Ägide wird das Haus der Kulturen der Welt auch endlich einen Internet- Anschluß bekommen: „Ich freue mich schon auf den Tag, an dem ich morgens wieder die New York Times am Computer lesen kann!“ Außerdem plant der neue Direktor ein Projekt über die Präsenz der Dritten Welt im Internet.
In Zukunft wird das Haus der Kulturen der Welt noch mehr Veranstaltungen zusammen mit ausländischen Kulturinstituten organisieren. Das spart nicht nur Kosten: „Für einen echten Kulturdialog ist es sehr wichtig, daß beide Seiten gleichberechtigt zu Wort kommen“, erklärt der Leiter. In den veranstaltungsfreien Zeiten soll die Kongreßhalle eventuell vermietet werden. Doch selbst wenn die Kürzungen keine großen Qualitätsverluste nach sich ziehen sollten, macht sich Hans-Georg Knopp Sorgen über ihre politische Bedeutung: „Wieviel wir für den Dialog der Kulturen ausgeben, zeigt doch den Ländern der Dritten Welt, was wir wirklich von ihnen halten.“ In dieser Situation freut er sich doppelt über die topographische Lage der Kongreßhalle. „Wir liegen mitten im künftigen Regierungszentrum, auf der Achse zwischen Bundestag, Kanzleramt und Schloß Bellevue. Vielleicht führt das ja zu einer anderen Sicht auf die Dritte Welt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen