piwik no script img

Vom Hass aufs FrühstückDie grausamste Mahlzeit

Iss morgens wie ein Fürst, dass du groß und kräftig würst? Von wegen! Der Morgenmampf ist ein innen noch flüssiger Gesamtalbtraum.

Frühstück ist kalt, bestenfalls lauwarm, allerbestenfalls durch literweise heißen Tee runterzuspülen Foto: imago

D as Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages? Dass ich nicht lache. 38 Jahre meines Lebens habe ich morgens nichts weiter zu mir genommen als ein Stück Zucker und ein hart gekochtes Rabenei – und hat es mir geschadet? Eben.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Die Frühstücksfanatiker schnauben, erheben sich von ihren Plätzen, wedeln mit Radis und Käse. Schlemme weidlich am Buffet, denn ein leerer Bauch tut weh. Iss morgens wie ein Fürst, dass du groß und kräftig würst! Was sich so flott und farbenfroh anhört, verbirgt eine einfache Wahrheit: Auf dem Frühstückstisch sieht alles ein Stück gröber und klobiger aus, erregt Widerwillen, sträubt sich dem Verzehr. Noch dazu sind die wenigsten Lebensmittel, die da stehen, wirklich appetitlich. Käsebrot? Leberwurst? Leberkäse gar? Veganer Aufstrich? Alles Quark.

Endlich muss das mal jemand aussprechen, denn die letzten (je nach örtlicher Hipness 5 bis 25) Jahre haben einen öffentlichen Frühstücksboom sondergleichen erlebt. Menschen im zweitbesten Alter stehen sich Sonntagfrüh auf Sonntagfrüh die Beine in den leerlaufenden Bauch, darauf wartend, dass der Kellner die Krümel vom vorherigen Brunch-Grüpplein wegschubbt und sie sich sendungsbewusst an der Platte ihrer Gönnung laben können.

Aus dem Notbrevier zusammengeklaubter Kohlenhydrate, die ein erstes Infahrt- und Vonderstellekommen des noch völlig verlotterten Körpers ermöglichen, ist ein mit Früchtchen und Blütlein geschmückter, innen noch flüssiger Gesamtalbtraum geworden, aufgebläht durch eine immer frischer pressende Systemgastronomie, aufgewertet durch die Hipster-Cafés der Großstädte, aufgegessen durch verblendete und zu jedem Widerspruch unfähige Marmeladenopfer.

Alles zieht sich hin beim Frühstück, weil es ja morgens ist, der Geist noch nicht wach, das Brötchen schabt Bissen für Bissen das Speiserohr blutig. Anders als beim gemütlichen Abendverzehr fehlt das Gegengewicht des bereits vergangenen Tagesanteils. Frühstück ist kalt, bestenfalls lauwarm, allerbestenfalls durch literweise heißen Tee herunterzuspülen.

Der Gipfel der Pein? Das sogenannte Sektfrühstück. Dabei wird den erwähnten Ekelingredienzen die flüssige Komponente Alkohol beigesellt, die sich im Magen je nach Wahl mit Mett oder Hummus, Mozzarella oder Himbeergelee, Mohnstange oder Hanfbobbes mischt. Das gibt nicht nur Blähungen, sondern auch einen bösen Nachmittagskater, dem schließlich durch Shopping und das Sitzen auf den übelsten „Massage“-Stühlen jegliche Laune verdorben wird.

Nicht umsonst hielt Jesus mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl ab! Mit einem fetten Frühstücksbuffet hätte er nicht mal bis zum Kreuz durchgehalten.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Adrian Schulz
Freier Autor
Seit 2015 bei der taz, zunächst als Praktikant, dann als freier Autor und Kolumnist (zurzeit: "Ungenießbar"). Nebenbei Masterstudium der Ästhetik in Frankfurt am Main. Schreibt über Alltag, Medien und Wirklichkeit.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Jung & btw => Noch was schlummern 😴



    & dann =>



    lecker Strühfücken con ☕️☕️☕️☕️ mhmmmmmm.

    kurz - die Nichtfrühstücker - sind mir zeitlebens suspekt.

    Na Mahlzeit - Ihr Kulturlosen - 🙀🤐 -

    • @Lowandorder:

      Jetzt weiß ich, warum es manchmal bei uns kriselt.

      Ich frühstücke seit gut 10 Jahren nicht mehr. Seitdem ich das so halte, bin ich am Vormittag regelrecht energiegeladen.

      Das hält bis Mittag vor, dann muss ich ein Schläfchen machen.

      Andererseits dichtet unser Mitforist so:

      "Morgenwonne

      Ich bin so knallvergnügt erwacht.



      Ich klatsche meine Hüften.



      Das Wasser lockt. Die Seife lacht.



      Es dürstet mich nach Lüften.

      Ein schmuckes Laken macht einen Knicks und gratuliert mir zum Baden.



      Zwei schwarze Schuhe in blankem Wichs betiteln mich »Euer Gnaden«.

      Aus meiner tiefsten Seele zieht



      Mit Nasenflügelbeben



      Ein ungeheurer Appetit



      Nach Frühstück und nach Leben."

      Joachim Ringelnatz

      • @Jim Hawkins:

        Yes - he is a clever man.

        unterm—— kriselriesel —-



        Meine 1. Ex sprang um 5 vor 7 aus dem Bett - weil’se um 7 am OP-Tisch stehen - mußte - viel gegen 17:30 & viele 🚬 🚬 wieder in lesende Kids & übern Spiegel eingeschlafenen Vaddern (the man with the dog & the two children;) hektisch mischend wieder ein.



        Samstags & Sonntags entschwand des Strühfücksgeschirr &☕️☕️☕️ während alles noch kaute! - 🙀 -



        Das Ende ist bekannt.



        & Däh =>



        “Ringelnatz“ Frühstück



        Kännchen Kaffee oder Tee, Semmelkorb,



        Butter, Marmelade, Honig, Ei, Wurst- Käseteller



        und 1 Glas Orangensaft

        € 9,60



        cafe-ringelnatz.de...fruehstueckskarte/

        So geht das - Volkers 👄 -



        “Lot di man tid - is ook n Walzer“



        &



        Sutje - oder höösch wie‘s in Kölle heißt •

    • @Lowandorder:

      Reminiszenz -

      Lumberjack => unser Mouder selig stand in großen Bruderherz Zeit des morgens mit auf - damit er nicht allein frühstücken mußte - während sie ihm seinen Thermo-Henkelmann klarmachte



      & zB beim Rübenhacken auffem Feld -



      Spuckte auch keiner in 2. Frühstück gegen 10 Uhr - gebracht in den Kartoffelweidenkörben.

      kurz - Es hat etwas von triefender Ironie



      Daß hier einem Abfallprodukt einer inhumanen Industrialisierung - Gesellschaft - auch nicht zuletzt einer Armutsgesellschaft & daraus resultierender ungesunder Gewohnheiten - unbedarft das Wort geredet wird - 🚬 reicht - wa! 🤢🤮🤑

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Großartig!



    Das Ingenieursdenken lässt vor allem die Deutschen Dinge tun, die einfach nur richtig sind.



    Schön ist oft anders.

  • Hallo Adrian, du schreibst, als wärst du ein Raucher oder Ex-Raucher. Bist du einer? Auch Jahre nach der Raucher-Entwöhnung kommt die Lust am üppigen Frühstück nicht wieder.