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Volkswagen in der KriseKursänderung aus Rentabilitätsgründen

Kommentar von Leila van Rinsum

VW trennt sich aus wirtschaftlichen Gründen von seinem Werk in Xinjiang. Menschenrechtsverletzungen sind für den Autokonzern kein Thema.

VW verkauft sein umstrittenes Werk in Xinjiang Foto: Johannes Neudecker/dpa

W as genau den Autokonzern Volkswagen letztlich dazu bewegt hat, sich schließlich von seinem umstrittenen Werk in Xinjiang zu trennen, ist unklar. Klar ist hingegen, dass dieser Schritt lange überfällig war. VW hatte das Werk in der Provinzhauptstadt Urumqi 2013 zusammen mit dem chinesischen Staatskonzern Saic eröffnet. Nun werde das Werk mit der dazugehörigen Teststrecke in Turpan an das chinesische Staatsunternehmen SMVIC verkauft, gab der Konzern bekannt.

Viel zu lang hat VW die gravierenden Menschenrechtsverletzungen an der Minderheit der Uiguren in der Region in Kauf genommen. Die willkürliche Masseninternierung von mehr als einer Million Uiguren in Umerziehungslagern, Zwangsarbeit und Folter war seit Jahren bekannt. Im Februar legte der für seine Forschung zur Menschenrechtslage der Uiguren bekannte Wissenschaftler Adrian Zenz schließlich Material vor, das den Einsatz von Uigurischen Zwangsarbeitern beim Bau der Teststrecke in Turpan zeigt.

Auch der Versuch von VW sich durch ein Gutachten reinzuwaschen scheiterte kläglich. Nicht nur Men­schen­recht­le­r*in­nen betonten, dass eine unabhängige Untersuchung in der Region nicht möglich sei, auch eine Reihe von Mita­rbe­i­te­r*in­nen der Rechtsanwaltskanzlei, die das Gutachten ausstellte, distanzierten sich kurz danach davon. VW räumte ein, dass die Überprüfung vor Ort mit dem Partner Saic abgestimmt und von chinesischen Behörden genehmigt werden musste.

Und immer noch sind es nicht die unhaltbaren Zustände in Xinjiang, die vielen Indizien zu Zwangsarbeit, die Unmöglichkeit, das Werk zu überprüfen, die VW in seiner Erklärung zum Verkauf anführt. Nein, VW trennt sich „aus wirtschaftlichen Gründen“.

Schweigen zur Menschenrechtslage

Dabei dürfte der Standort nie profitabel gewesen sein. Etwa 200 Menschen arbeiten dort. Wichtig war es vor allem für VWs Stand in China, das in der Region Xinjiang Industrie ansiedeln wollte. Und einen guten Stand braucht der kriselnde deutsche Autokonzern in China, denn das Geschäft läuft nicht gut: die Verbrenner verkaufen sich nicht, VW hat die Elektromobilität verschlafen.

Vielleicht hat die Krise bei VW von massiven Absatzeinbußen, dem Konzern ein Argument mehr gegenüber China verschafft, das Werk abzustoßen. Zumal sich der Konzern ja in Schweigen zur Menschenrechtslage hüllt. Vielleicht war auch langsam der öffentliche Druck zu groß. Selbst eher konservative Anteilseigner wie Union Investment äußerten sich zunehmend kritisch zu dem Geschäft in Uruqmi. Vielleicht wird es aber auch rechtlich immer enger für den Konzern.

Seit 2023 gilt das Lieferkettengesetz in Deutschland, das Unternehmen zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen zu verpflichtet. Ist das nicht möglich, muss es sich von dem Geschäft trennen. Die Menschenrechtsorganisation ECCHR gab bereits im Juni 2023 bekannt, bei der Kontrollbehörde des Lieferkettengesetzes, dem Bafa, Beschwerde gegen VW eingereicht zu haben.

Ab 2027 gilt außerdem das Importverbot von Produkten aus Zwangsarbeit, das die EU speziell für die Xinjiang Region auf den Weg gebracht hat. Vielleicht zählt das alles auch zu „wirtschaftlichen Gründen“ für VW, auf eine Kursänderung in Richtung Menschenrechte lässt das aber nicht hoffen.

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Wirtschaftsredakteurin
ist Redakteurin im Ressort Wirtschaft & Umwelt. Dort schreibt sie über Internationalen Handel und Entwicklungspolitik. Sie war zuvor freie Journalistin in Nairobi und Berlin und schrieb über Nord-Süd Beziehungen, Kapitalismus und Queeres.
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