Volksini startet Unterschriftensammlung: Klimaschutz statt Beton
Am Mittwoch beginnt eine neue Volksinitiative. Sie will erreichen, dass in Hamburg nahezu keine weitere Grünflächen mehr bebaut werden.
Dabei ist es gerade einmal zwei Monate her, dass sich Senat, die Bezirke und die öffentlichen Unternehmen trotz Baubooms und Bevölkerungswachstums zu einem Erhalt des Grünanteils vertraglich verpflichtet haben. „Diese Verpflichtung ist eine Mogelpackung“, sagt dazu Joachim Lau, einer der Initiatoren. Es brauche eine deutlich weitergehende Vorgabe.
Die Ini geht vor allem zurück auf den Protest gegen die städtischen Pläne, das Diekmoor im Hamburger Norden zu bebauen. Das rund 16 Hektar große Areal ist ein geschütztes Moorgebiet, außerdem stehen dort Schrebergärten. Die Stadt sieht darin allerdings „die letzte große, zusammenhängende Wohnungsbaupotenzialfläche in Hamburg-Nord“. Um den anvisierten Bau von jährlich 10.000 Wohnungen einzuhalten, brauche es die Fläche.
Das sieht die Volksini anders. Es sei natürlich immer einfacher, auf grünen Flächen zu bauen, sagt Lau. „Aber wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, findet viele leerstehende Flächen“, sagt er. So könnten viele alte Industrieflächen, leerstehende Gewerbeimmobilien oder oberirdische Parkplätze für den Wohnungsbau genutzt werden. Angesichts eines Versiegelungsgrads von 37 Prozent der gesamten Hamburger Fläche könne der Wohnungsbau so klima- und umweltpolitisch sinnvoller angegangen werden.
Flächenrecycling gefordert
Grünflächen, die mindestens einen halben Hektar groß sind, würden sich Lau zufolge positiv auf das städtische Mikroklima auswirken und die Stadt kühlen. Schon der bisherige Versiegelungsgrad sei bei vermehrt auftretenden Starkregen ein Problem. Das Diekmoor müsse auch deshalb erhalten bleiben.
Und es gebe noch mehr umweltschädliche Bauvorhaben. „Wir haben uns mit Initiativen aus anderen Ecken der Stadt ausgetauscht und gemerkt, dass es überall dasselbe Problem gibt“, sagt Lau. In Oberbillwerder soll gleich ein neuer Stadtteil auf der grünen Wiese entstehen, auch in Wilhelmsburg droht dem „Wilden Wald“ und in Altenwerder dem Vollhöfner Wald eine Bebauung. Deshalb haben sich nun 16 lokale Gruppen und Initiativen für die Volksini zusammengeschlossen.
Auf wenig Verständnis stößt sie beim Nabu. Der Nabu sei nicht gefragt worden, ob er die Volksini unterstützen wolle, sagt Hamburgs Vorsitzende Malte Siegert. Natürlich müsse die Stadt zusehen, dass Grünflächen nicht übermäßig bebaut werden – und andernfalls Ausgleichsgebiete schaffen. Zugleich sei dem Nabu bewusst, dass in einer wachsenden Stadt Wohnungsbau notwendig sei. „Wir können Stadtentwicklung auch nicht unmöglich machen“, meint Siegert.
„Die neue Volksini kann aber gerne versuchen, weiter als wir zu kommen“, sagt Siegert – und spielt damit auf den erst kürzlich geschlossenen Vertrag für Hamburgs Stadtgrün an. Der Vertrag wurde nach längerer Verzögerung erst diesen Juli unterzeichnet.
Damit reagierte der Senat auf eine vom Nabu 2018 initiierte Volksinitiative, die ebenfalls den Schutz von Grünflächen zum Ziel hatte. Nach Verhandlungen zwischen Nabu und Senat zogen die Umweltschützer:innen ihr Vorhaben zurück – im Gegenzug verpflichtete sich der Senat auf einen besseren Schutz der Grünflächen. Zu wenig, finden Lau und seine Mitstreiter:innen.
Die Umwelt- und Klimapolitik des rot-grünen Senats stößt diesen Sommer immer mehr auf Protest. „Rettet Hamburgs Grün - Klimaschutz jetzt!“ ist die zweite beginnende Volksini innerhalb kurzer Zeit.
Die Gruppe „Klimaentscheid Hamburg“ startete ihre Volksinitiative vor vier Wochen, um den Senat zu mehr Klimaschutz zu bewegen. Hamburg solle schon in 14 Jahren klimaneutral sein. Das bislang geltende Hamburgische Klimaschutzgesetz sei zu lasch.
Auch Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) ist wenig begeistert von der neuen Ini: „Es ist für uns nicht nachvollziehbar, dass von dieser neuen Initiative behauptet wird, in der Einigung mit dem Nabu hätten Senat und Bürgerschaft die großen Freiflächen am Stadtrand nicht berücksichtigt“, sagt Kerstan der taz im Hinblick auf die von der Ini als gefährdet bezeichneten Flächen.
Die Sicherung von Grünflächen durch den Vertrag für Hamburgs Stadtgrün sei weitreichender als in jedem anderen Bundesland – und im Konsens mit den Umweltverbänden vereinbart. „Vor dem Hintergrund muss die neue Initiative zunächst ihr Anliegen erklären, um Unterstützerinnen und Unterstützer zu gewinnen“, sagt Kerstan.
Genau das will die Ini ab Mittwoch tun. 10.000 Unterschriften muss sie im ersten Schritt sammeln, um die Bürgerschaft dazu zu bringen, sich mit Forderung auseinanderzusetzen.
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