Volksbegehren vor rechtlicher Prüfung: Hey, Senat, da geht noch viel mehr
Der Berliner Verfassungsgerichtshof muss sich nun mit dem Volksbegehren „Gesunde Krankenhäuser“ befassen. Ein Wochenkommentar.
Für einen juristischen Laien ist schwer zu beurteilen, ob die am Dienstag vorgebrachten Gründe des Senats, das Volksbegehren Gesunde Krankenhäuser als rechtlich unzulässig abzulehnen, stichhaltig sind. Auf den ersten Blick leuchtet es zwar ein, dass die Festsetzung einer Untergrenze für Pflegepersonal in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes liegt.
Aber auch die Argumente der Initiative klingen plausibel: Sie verweist auf Paragraf 6 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, wo es heißt: „Durch Landesrecht (…) können weitere Qualitätsanforderungen zum Gegenstand der Krankenhausplanung gemacht werden.“ Muss man das nicht so verstehen, dass ein Land selbstständig festlegen kann, wie viele Pfleger mindestens im Dienst sein müssen, um zum Beispiel 40 Patienten auf einer normalen Station zu betreuen?
Welche Interpretation sticht, muss nun der Berliner Verfassungsgerichtshof entscheiden. Leider, muss man sagen, haben Richter in Hamburg ein sehr ähnliches Volksbegehren bereits abgelehnt . Das muss nichts heißen, lässt aber auch nicht unbedingt große Hoffnungen.
Aber auch jenseits juristischer Finessen bleibt festzuhalten: Der Senat könnte schon jetzt mehr tun, um die Qualität in Berliner Krankenhäusern zu steigern. Immerhin gehören dem Land mit Charité und Vivantes rund die Hälfte der Berliner Krankenhäuser. Wenn die rot-rot-grüne Regierung wirklich für die Ziele des Volksbegehrens einsteht, wie sie immer sagt: Warum weist sie nicht die GeschäftsführerInnen ihrer Kliniken an, zunächst einmal verbindlich festzustellen, wie hoch überhaupt der Personalbedarf ist, wenn man anerkannte Bemessungsgrenzen zugrunde legt?
Gesundheit ist keine Ware
Allein das schon ist nämlich kurios: dass die Krankenhäuser bis heute gar nicht genau wissen, wie viel Pflegepersonal sie brauchen, um den allseits anerkannten Notstand zu beheben. Man darf vermuten: So genau wollen sie es auch gar nicht wissen.
Wüssten sie es, könnte der Senat sie darauf verpflichten, entsprechend einzustellen. Das würde sie nicht einmal etwas kosten, argumentieren die Leute vom Volksbegehren: Laut dem Sofortprogramm Kranken- und Altenpflege von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) übernehme der Bund jede zusätzlich eingestellte Pflegekraft. Das alte Argument, mehr Personal sei für die Häuser schlicht zu teuer, ziehe also nicht mehr.
Apropos teuer: Auf jeden Fall hat das Volksbegehren ganz grundsätzlich recht, wenn es sagt, der Senat müsse, ebenso wie der Bund, die kapitalistische Verwertungslogik im Gesundheitssystem überwinden. Gesundheit ist keine Ware, die man gegen Kosten aufwiegen darf. Sie ist unser Leben.
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