Volksabstimmung in den Niederlanden: Eine Stimme gegen Brüssel
Über den EU-Assoziierungsvertrag mit der Ukraine wird in den Niederlanden abgestimmt. Überlagert ist das Referendum von EU-Skepsis.
![Mehrere Männer in roten Anoraks tragen Buchstaben, die das Wort NEE formen, durch eine Straße Mehrere Männer in roten Anoraks tragen Buchstaben, die das Wort NEE formen, durch eine Straße](https://taz.de/picture/1111291/14/Niederlande_Referendum_Sozialistische_Partei_dpa_05042016.jpeg)
Kurz vor dem Urnengang gilt eine Ablehnung als wahrscheinlich. Umfragen gehen aktuell von 57 bis 62 Prozent Neinstimmen aus. Spannend wird die Frage, ob die Wahlbeteiligung die vorgeschriebene 30-Prozent-Hürde knackt. Die meisten Parteien befürworten den Vertrag. Ausnahmen sind die rechtspopulistische Freiheitspartei, die Sozialistische Partei (SP) sowie die Tierschutz-Partei PVDD.
Seit 2015 muss in den Niederlanden ein neu angenommener Gesetzesvorschlag den Wahlberechtigten vorgelegt werden, wenn 300.000 Bürger das mit ihrer Unterschrift fordern. Eine Initiative, bestehend aus dem eurokritischen „Burgercomité EU“, dem konservativen Thinktank „Forum voor Democratie“ sowie der populistischen Website „GeenStijl“, konnte mehr als 427.000 Befürworter gewinnen. Ihre Motivation war eine Mischung aus inhaltlicher Ablehnung des Abkommens und Kritik am vermeintlichen Demokratiedefizit der EU.
Der mehr als 300-seitige Vertrag, 2014 zwischen Kiew und der EU geschlossen, betrifft im Wesentlichen eine Angleichung der ukrainische Handelsgesetze an EU-Standards. Von einer angestrebten EU-Mitgliedschaft ist keine Rede, wohl aber von „politischer Assoziation“, den „europäischen Ambitionen der Ukraine“ sowie einem „Annäherungsprozess“. Niederländische Gegner des Abkommens sehen hierin die schrittweise Vorbereitung einer EU-Ausdehnung in Richtung Ukraine.
Den meisten Niederländern ist der Zusammenhang zwischen Assoziierungsvertrag und Maidan-Bewegung bewusst, ebenso wie die ambivalente Situation der Ukraine zwischen der EU und Russland und dem darauf folgenden Bürgerkrieg. Mit dem Inhalt des Vertrags und der Frage des Referendums ist das schon schwieriger. Deshalb gab es in den vergangenen Wochen ein wahren Ansturm auf Informationsmaterial. Insgesamt 110 Organisationen und Privatpersonen beantragten bei der Referendumskommission Subventionen für Kampagnen.
Korruption und Schlägereien im Parlament
Gegner des Abkommens befürchten, dass niederländische Steuergelder in die Ukraine fließen und dort in den Taschen korrupter Behörden oder Oligarchen verschwinden. Auch die visafreie Einreise zahlreicher Ukrainer wird erwartet. Zudem warnen die Gegner vor einer politischen Kultur, die geprägt sei von Swoboda-Nationalisten und Rechtem Sektor sowie Schlägereien im Parlament. Warum, so die Schlussfolgerung, sollte die EU sich einem solchen Land annähern? Hinzu kommt die geopolitische Überlegung, wonach das Abkommen eine Provokation von Präsident Wladimir Putin sei und die Möglichkeit eines Krieges zwischen dem Westen und Russland erhöhe.
Geopolitik ist auch aufseiten der Befürworter ein entscheidendes Argument – in diesem Fall jedoch mit der Absicht, der Ukraine den Weg in eine demokratische Zukunft in fester Beziehung zu Europa zu ermöglichen. Eine Rolle spielen auch innerukrainische Reformen wie Verbesserung der Menschenrechte sowie erhoffte Handelsvorteile für die Niederlande.
Ein Teil der Initiatoren lässt derweil keinen Zweifel daran, dass sie die Ukraine nur für einen Nebenschauplatz halten: „Die Ukraine interessiert uns nicht“, so Arjan van Dixhoorn, Vorsitzender des „Burgercomité EU“, zuletzt in einem interview mit NRC next. „Ein Nexit-Referendum ist bislang unmöglich. Darum ergreifen wir jede Möglichkeit, die Beziehung zwischen den Niederlanden und der EU unter Spannung zu setzen.“
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