Volk genauso unwillig wie Präsident: Isländer wollen nicht für Icesave zahlen
Keine Lust auf Milliardenschulden: In einem zweiten Referendum entscheiden die Isländer, dass sie die Verbindlichkeiten der Privatbank Icesave nicht tragen wollen.
STOCKHOLM taz | Den "denkbar schlechtesten Ausgang" hatte die Volksabstimmung auf Island für Ministerpräsidentin Jóhanna Sigursardóttir. Zufrieden ist dagegen Rentnerin Gudmundur Kristiansson, die regelmäßig vor dem Parlament in Reykjavík gegen die Verantwortlichen des Finanzcrashs demonstriert. Wie sie will die Mehrheit der IsländerInnen nicht für die Verbindlichkeiten haften, die die private Icesave-Bank hinterlassen hat. 59,1 Prozent stimmten am Samstag bei einem Referendum mit Nein, nur 40,9 Prozent wollten zahlen.
Konkret ging es um eine von der Regierung ausgehandelte Vereinbarung, nach der Island rund 3,8 Milliarden Euro an die Niederlanden und Großbritannien zahlen soll. Das sei die billigste Lösung, so Sigursardóttir.
Bereits im Herbst 2008 waren die isländischen Großbanken zusammengebrochen, darunter die Landsbanki und ihre Tochter Icesave, die vor allem in Großbritannien und den Niederlanden rund 340.000 SparerInnen gelockt hatte. Aus dem von der Branche bestückten isländischen Bankengarantiefonds bekamen die Anleger maximal 20.000 Euro, dabei musste die staatliche Bankengarantie schon einen Teil zuschießen, weil der Fonds nicht für drei Pleiten auf einmal reichte.
12.000 Euro pro Isländer
Das Problem entstand, als viele Regierungen unbegrenzte Garantiezusagen für Spareinlagen ausriefen, um die Märkte zu beruhigen. So entschädigten auch London und Den Haag Icesave-KundInnen aus der eigenen Kasse. Dieses Geld wollen sie nun wiederhaben: Rund 3,8 Milliarden Euro plus Zinsen. 12.000 Euro pro IsländerIn.
Zweimal handelte Reykjavík mit den Niederlanden und Großbritannien Abkommen aus. Zweimal legte Staatspräsident Ólafur Grímsson ein Veto ein, zwei Referenden endeten mit jeweils einem klaren Nein.
Neue Verhandlungen seien wohl sinnlos, meinte Finanzminister Steingrímur J. Sigfússon am Sonntag in einem ersten Kommentar. Allerdings endet Grímssons Amtszeit 2012. Regierung und Parlamentsmehrheit könnten auf einen "willigeren" Präsidenten spekulieren.
Ansonsten bleibt London und Den Haag nur der Weg vor den Efta-Gerichtshof, der Streitigkeiten zwischen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums regelt. "Vielleicht haben wir ja diese Schuldenverpflichtung", sagt Sigmundur Davís Gunnlaugsson, Vorsitzender der oppositionellen Fortschrittspartei: "Aber dann soll ein Gericht das entscheiden und nicht die EU."
Leser*innenkommentare
Das ist zum Lachen!
Gast
Die Rechtslage ist eindeutig und war den Rechtsabteilungen der kreditgebenden Banken bekannt: der isländische Staat ist nicht verpflichtet über den Einlagensicherungsfonds hinaus irgendeine Zahlung zu leisten! Die Bitte an Island, an ausländische Banken Geld zu verschenken ist ja höchst amüsant, die haben wohl schlechtes Bier geraucht!
Mein Name ist Hase
Gast
Ein kleines Detail fehlt noch in der guten Zusammenfassung von E.A.: Die Zinsen, die Griechenland und Portugal zahlen müssen, gehen als Gewinne an die Banken und nicht die Steuerzahler. Ein großer Anteil des Gewinns wird von den Vorständen der Banken einkassiert.
In Island waren 230 000 Bürgerinnen und Bürger zur Stimmabgabe berechtigt. Das macht 16500 Euro PLUS ZINSEN pro Stimme. Davon haben offensichtlich 92 000 Stimmberechtigte (40%) nicht verstanden worum es geht. Ob das etwas mit der Berichterstattung zu tun hat?
Zu dumm, dass die Rolle der US-amerikanischen Banken in Island nicht zur Diskussion steht. Goldman-Sachs und Co. treiben noch immer ihr Unwesen in Island - und der EU - mit Unterstützung durch die Politik. Da werden bestimmt wieder ein paar Beraterposten anfalllen.
E.A.
Gast
@Alex: Richtige Einstellung, du zahlst aber letztendlich nicht an Griechenland und Portugal sondern an die Privat-Banken. Frag mal die Deutsche Bank, wieviel sie in diesen Ländern gebunkert hat. Außerdem (strenggenommen) ZAHLST du nicht einen Cent, sondern du vergibst einen Kredit an diese Länder und an Forderungen ans Ausland mangelt es in Deutschland wahrlich nicht.
Alex
Gast
Sollte man in Deutschland auch machen, ich will nämlich auch nicht für Griechenland und Portugal zahlen!