Vogelschutz am Flughafen BER: Kein großer Schutz für kleine Flieger
Berlins Tierschutzbeauftragte kritisiert die Flughafengesellschaft für fehlenden Vogelschutz am BER. Die sagt, sie halte alle Auflagen ein.
Anlass für Herrmanns öffentliche Kritik an der FBB war der jüngste Fund von fast 30 Kohl-, Tannen- und Blaumeisen, die offenkundig durch den Aufprall an Glasflächen gestorben waren. Die Finderin hatte das in einer Facebook-Gruppe für Wildvogel-Notfälle gepostet. VogelschützerInnen beklagen aber nicht erst seit der Inbetriebnahme des BER, dass dort täglich Vögel sterben – keineswegs nur die omnipräsenten Stadttauben, sondern viele seltene Arten, von der Haubenlerche bis zur Waldschnepfe.
„Bei den Vögeln, die sofort sterben, qualvoll verenden oder schwer verletzt sind, handelt es sich um besonders geschützte Arten, die durch Gebäude keinem signifikant erhöhten Tötungs- und Verletzungsrisiko ausgesetzt werden dürfen“, schreibt die Tierschutzbeauftragte und fordert die FBB auf, auf den Glasfassaden „umfassend Vogelschutzfolie“ anzubringen. Angesichts der Zahl toter Vögel sei „längst klar, dass der Betreiber gegen Naturschutzrecht verstößt. Umso verwunderlicher ist es, dass die Naturschutzbehörden bislang keinen Grund gesehen haben hier umfassend einzuschreiten.“
Unklare Zahlen
Wie viele Tiere tatsächlich mit dem Terminal kollidieren, lässt sich dabei nur schätzen – Zählungen sind Momentaufnahmen, die Kadaver werden meist schnell durch Fuchs und Krähe oder das Reinigungspersonal entsorgt. „Mehrere tote Vögel wurden vor meinen Augen von der vorbeifahrenden Kehrmaschine aufgewischt“, sagt Claudia Wegworth vom Berliner Tierschutzbeirat zur taz, sie beobachtet seit Jahren den Vogelschlag am Gebäude. „Man macht dort also regelmäßig gründlich sauber, damit sich niemand daran stören kann.“
Bei der FBB verweist man darauf, dass alle Flughafengebäude den erteilten Baugenehmigungen entsprechen. Außerdem, so Sprecher Jan-Peter Haack, komme das „Phänomen, dass Vögel Gebäude nicht immer erkennen, weltweit bei verschiedensten Gebäuden vor“, es handele sich um keine Besonderheit des BER. Trotzdem habe die FBB auf Berichte reagiert und „seit der Inbetriebnahme bereits neuralgische Glasflächen mit Folien ausgerüstet“.
Mit bestimmten Mustern bedruckte Folien gelten Fachleuten als einzige wirksame Lösung, mit denen „unsichtbares“ oder spiegelndes Glas für Vögel als Hindernis erkennbar wird. Am BER habe seitdem eine „signifikante Verbesserung dokumentiert werden“ können, so Sprecher Haack. „Zu weiteren Maßnahmen befinden wir uns in Planungen und fortlaufenden Abstimmungen mit sämtlichen zuständigen Behörden.“
Zuständig für den Tier- und Artenschutz am BER ist das Umweltamt des Landkreises Dahme-Spreewald. Von diesem habe man aktuell keine weitergehende Auflage, so der Sprecher. Sollte es sie geben, „werden wie sie natürlich einhalten“. Eine taz-Anfrage dazu konnte das Umweltamt nicht umgehend beantworten.
Nur Appelle möglich
Kathrin Herrmann gibt zu bedenken, dass sie als Tierschutzbeauftragte des benachbarten Bundeslandes weder Anordnungs- noch Klagerecht habe: „Mir bleibt es als beratende Stelle mit unabhängiger Fachkompetenz, sowohl an die Verantwortlichen der FBB als auch an die zuständigen Behörden zu appellieren, die geltenden artenschutzrechtlichen Vorschriften zum Vogelschutz umzusetzen.“ Auf ihre Kritik hin habe sich allerdings weder die FBB noch das Brandenburger Landesamt für Umwelt geäußert.
Zur Frage, was tatsächlich bereits an Schutzmaßnahmen umgesetzt wurde, verweist Herrmann auf die Antwort des Senats auf eine schriftlichen Anfrage aus dem Abgeordnetenhaus von Ende 2022. Demnach wurden 850 von insgesamt rund 70.000 Quadratmetern Glasfassade mit Vogelschutzfolie beklebt.
Laut Claudia Wegworth bedeckt die Folie, deren Wirksamkeit sie zudem anzweifelt, aber nur wenige Quadratmeter des Terminalgebäudes selbst („wurde nur angebracht, um zu testen, wie es aussieht“). Vor allem seien die gläsernen Wegbegrenzungen in den Kolonnaden im Außenbereich beklebt worden – aber auch diese nur lückenhaft. Gerade erst habe sie an den unbeklebten Flächen im Bereich der Parkhauseinfahrt wieder „20 Abdrücke von kollidierten Tauben gezählt“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen