Vogelgrippe in den USA: Die Angst vor einer neuen Pandemie
Experten beunruhigt der Vogelgrippeausbruch in den USA. Bislang haben sich vier Menschen in Milchkuhbetrieben infiziert. Droht eine neue Pandemie?
„Es ist äußerst besorgniserregend, dass dieses Virus, welches normalerweise nur Vögel infiziert, auf so viele verschiedene Säugetierarten überspringt. Es bedeutet, dass das Virus sich anpasst und dies könnte im schlimmsten Fall eine neue Pandemie auslösen“, sagte die Immunologin und Mikrobiologin Jenna Guthmiller der taz.
Erst am Mittwoch bestätigte das Gesundheitsamt im US-Bundesstaat Colorado, dass sich der Arbeiter eines Milchviehbetriebs mit dem Virus infiziert habe. Es ist der vierte bisher bekannte Fall einer menschlichen Infizierung seit März. Die drei anderen Fälle ereigneten sich in Texas und Michigan. Sie betrafen ebenfalls Mitarbeiter in Milchbetrieben. Alle drei Personen hatten glücklicherweise einen milden Krankheitsverlauf und sind mittlerweile alle wieder gesund.
Laut Guthmiller, die an der University of Colorado als Dozentin tätig ist, ist dies jedoch nicht immer der Fall: „Die Sterblichkeitsrate liegt bei etwa 50 Prozent.“ Sie fügte allerdings hinzu, dass diese hohe Sterblichkeitsrate mit Vorsicht zu genießen sei, da vor allem bei schwerwiegenden Krankheitsverläufen auf das Virus getestet werde und die Sterblichkeit in solchen Fällen natürlich deutlich höher liege.
Auswirkungen für den Menschen
Dennoch bleibt es dabei, dass ein großflächiger Ausbruch von H5N1 bei Menschen schwerwiegende Folgen haben könnte. Laut der US-Seuchenschutzbehörde CDC ist das Virus bisher in 138 Milchkuhherden und zwölf US-Bundesstaaten entdeckt worden.
Im Augenblick sei die Ansteckungsgefahr für Menschen äußerst gering, hieß es. Am gefährdetsten sind Menschen, die tagtäglichen Kontakt mit infizierten Tieren haben. Die Ausbreitung unter Milchkühen und anderen Säugetieren, unter anderem Hauskatzen, zeigt allerdings, dass die Gefahr der Übertragung von Mensch zu Mensch steigt.
Ein großes Problem bei der Bekämpfung des aktuellen Virusausbruchs ist die lückenhafte Überwachung und Kontrolle von Milchkühen in den Vereinigten Staaten. Auf Bundesebene sind Kontrollen nur dann vorgeschrieben, wenn eine Kuhherde die Grenze zwischen zwei Bundesstaaten überschreitet. Auf Landesebene sind die Regularien uneinheitlich und Untersuchungen von Menschen, die mit infizierten Kühen in Kontakt geraten, gibt es so gut wie gar nicht.
Hinzu kommt, dass viele Besitzer von Milchbetrieben und auch die Gesundheitsbehörden in mehreren US-Bundesstaaten sich weigern, an bundesweiten Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung teilzunehmen. „Es ist ein Übergriff der Regierung. Es nicht notwendig und sie sollten es lieber nicht machen“, sagte der texanische Landwirtschaftsminister Sid Miller, ein ehemaliger Rodeo-Cowboy, über die Pläne der US-Regierung.
Maßnahmen werden trotzdem forciert
Laut US-Medien hat die Seuchenschutzbehörde CDC in Gesprächen mit den Landwirtschaftsministern und Tierärztekammern in den verschiedenen Bundesstaaten die Möglichkeit angesprochen, Mitarbeiter auf Bauernhöfe und Milchviehbetriebe zu schicken, um den Gesundheitszustand der Arbeiter zu überwachen und andere Daten zu sammeln.
„Wir haben alle gesehen, wie sich ein Virus rund um den Globus verbreiten kann, bevor das öffentliche Gesundheitswesen überhaupt eine Chance hatte, etwas dagegen zu unternehmen“, sagte der stellvertretende Vizedirektor des CDC, Nirav Shah, während einer Veranstaltung des Council on Foreign Relations.
Experten verfolgen die Entwicklung des Vogelgrippevirus H5N1 seit 2020. Seit dem ersten Ausbruch unter Hühnern und anderen Geflügeltieren in den USA im Jahr 2022 sind laut US-Landwirtschaftsministerium mehr als 97 Millionen Tiere dem Virus zum Opfer gefallen.
Dies hat nicht nur zu Preisanstiegen für Eier und Geflügelfleisch geführt, sondern auch zu Entlassungen von Beschäftigten. Betroffene Milchviehbetriebe müssen mit wirtschaftlichen Einbußen rechnen. Infizierte Herden produzieren bis zu 20 Prozent weniger Milch. Außerdem sind die Rindfleischpreise in den vergangenen Monaten teilweise stark gesunken, da die Nachfrage bei einem anhaltenden Virusausbruch in Zukunft fallen könnte.
Geldspritze für die Entwicklung eines Impfstoffes
Die US-Regierung stellt dem pharmazeutischen Unternehmen Moderna 176 Millionen Dollar zur Verfügung, um einen Impfstoff mit der mRNA-Technologie gegen das Virus zu produzieren. Moderna rechnet frühestens 2025 damit, einen anwendungsreifen Impfstoff zu haben.
Im Moment verfügen die USA über knapp 4,8 Millionen Einheiten eines herkömmlich produzierten Impfstoffes. Diese könnten ab Mitte Juli eingesetzt werden, sollte die Aufsichtsbehörde grünes Licht erteilen. CDC-Vizedirektor Shah erklärte, dass es aktuell noch zu früh sei, eine Impfung gegen das Virus zu empfehlen. Das gilt auch für Arbeiter in der Milchwirtschaft.
„Wir brauchen einfach mehr Tests. Wir müssen wirklich herausfinden, wie tiefgreifend und umfassend dieser Ausbruch ist, denn ich glaube nicht, dass wir überhaupt ein richtiges Verständnis davon haben, was das ist“, sagte Immunologin Guthmiller.
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