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Visaerleichterungen für KosovoDer Weg in die EU ist offen

Bürger aus dem Kosovo können seit Beginn des neuen Jahres ohne Visum in die EU einreisen. Die Diskriminierung des Landes wird beendet.

Am Flughafen in Prishtina am Montag: Auf der Tasche steht „Ohne Visum“

Split taz | „Bürgerinnen und Bürger des Kosovo dürfen seit Mitternacht ohne Visum in die Europäische Union einreisen.“ Diese Nachricht vom Neujahrstag war im kleinen und jüngsten Staat Europas mit seinen 1,8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern seit langem sehnlichst erwartet worden. Und doch mischt sich unter die Freude auch Ärger.

Warum musste ausgerechnet das Kosovo so lange auf diese Nachricht warten? Seine Bewohner und Bewohnerinnen, die jahrzehntelang von Serbien unterdrückt und in ihrer Reisefreiheit behindert worden waren, mussten erleben, dass sich an ihrer Situation auch nach dem Nato-Krieg gegen Serbien 1999 und der UN-Verwaltung bis 2008, bis zur Unabhängigkeitserklärung also, nichts veränderte.

Erst 25 Jahre nach dem Ende der serbischen Herrschaft durch den Unabhängigkeitskrieg und 16 Jahre nach der diplomatischen Anerkennung des Landes dürfen Kosovaren und Kosovarinnen jetzt visafrei für bis zu 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen in den Schengen-Raum reisen.

Das Kosovo mit seinen 1,8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist damit das letzte der sechs Westbalkan-Länder, für das diese Reiseerleichterung in Kraft trat. Auch andere Staaten wie die Republik Moldau, Georgien und die Ukraine hatten weit früher dieses Recht erhalten. Die Frage, weshalb diese Diskriminierung der Kosovarinnen und Kosovaren so lange anhielt, ist bis heute nicht vollständig beantwortet.

Gegen eine Visa-Reform

Ein Grund dafür ist, dass fünf EU-Mitglieder – Zypern, Griechenland, Rumänien, Slowakei und Spanien – sich gegen die Visa-Reform wandten. Diese fünf EU-Mitgliedstaaten erkennen die Unabhängigkeit des Kosovo vor allem aus innenpolitischen Gründen bis heute nicht an.

Denn in allen diesen Ländern gibt es Unabhängigkeitsbestrebungen einzelner Volksgruppen: in Spanien durch Katalaninnen und Katalanen sowie Baskinnen und Basken, in Rumänien durch die ungarische Volksgruppe in Siebenbürgern sowie in der Slowakei ebenfalls durch Ungarinnen und Ungarn im Süden des Landes.

In Zypern gibt es weiterhin Konflikte zwischen Türkinnen und Türken sowie Griechinnen und Griechen. In Griechenland fürchtet man die Ansprüche albanischer und slawisch-makedonischer Minderheiten. Im Falle einer diplomatischen Anerkennung des Kosovo befürchtet man nach wie vor die Stärkung von Unabhängigkeitsbestrebungen.

Aber auch außenpolitisch gibt es vor allem in Griechenland und Zypern Bedenken. Große Teile der christlich-orthodoxen Gesellschaften solidarisieren sich mit den „serbischen Brüdern“ und sympathisieren sogar mit der nationalistischen serbischen Führung. Mit Unterstützung Russlands wurden sogar Teile der UN proserbisch und gegen das Kosovo beeinflusst. Doch auch in der EU stützen rechtsextreme und linkspopulistische Parteien diesen proserbischen Kurs.

Angst vor Migration

Das Inkrafttreten der Reiseerleichterung wurde jahrelang zudem durch Frankreich und die Niederlande blockiert, die eine neue Migrationswelle befürchtet hatten. Rechtsradikale Kräfte warnten in diesen Ländern vor mehrheitlich muslimisch geprägten Arbeitskräften aus dem Kosovo. Dennoch ist es der Regierung des kleinen Staates gelungen, jetzt wenigstens die Visaerleichterungen zu erreichen.

Unterstützt wurde das Kosovo vor allem von Deutschland, das ausgebildete Arbeitskräfte im Pflegebereich und der medizinischen Versorgung anwerben will. Zudem machten Arbeitgeber in den nördlichen EU-Ländern die Erfahrung, dass kosovarische Arbeitskräfte über gute Sprachkenntnisse verfügen und außergewöhnlich anpassungsfähig sind. Die Visaerleichterung bedeutet jedoch nicht, dass die Kosovarinnen und Kosovaren sofort arbeiten dürfen. Nach Angaben der EU-Kommission hatte das Kosovo bereits 2018 alle Bedingungen für die visafreie Einreise in den Schengen-Raum erfüllt.

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