Virenexperte über Grippe-Impfstoff: "Ein Rennen gegen die Zeit"
Virenexperte Ulrich Heininger befürchtet, dass der Impfstoff zu spät kommen könnte. Schon jetzt erkranken jeden Tag neue Personen. Die Wirkung der Impfung hänge aber auch von der Epedmie-Dynamik ab.
taz: Können die Pharmakonzerne jetzt Wucherpreise verlangen, weil sie wissen, dass die Regierungen unter starkem öffentlichen Druck stehen?
Ulrich Heininger: Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Die Arbeit zwischen der Pharma-Industrie und den Ländern ist langfristig ausgerichtet. Die Konzerne wollen sicher kein Porzellan zerschlagen, das wäre zu kurzfristig gedacht. Hinzu kommt die Konkurrenz. Es gibt kein Impfstoffmonopol. Die Pharmakonzerne müssten sich zu einem Kartell zusammenschließen.
Ulrich Heininger, 47, ist der stellvertretende Vorsitzende der ständigen Impfkommission.
Der Impfstoff steht frühestens im Herbst bereit. Ist es dann zu spät fürs Impfen?
Das ist vorstellbar. Es erkranken jeden Tag neue Personen. Der Sinn einer Massenimpfung hängt auch von der Frage der Dynamik der Epidemie ab. Wenn die Pandemie bereits in der nächsten Woche ihren Höhepunkt erreicht, ist es vorstellbar, dass eine Massenimpfung im Herbst zu spät kommt. Es ist ein Rennen gegen die Zeit.
Sie hätten die Impfung also gern früher?
Auf die Geschwindigkeit der Verfügbarkeit der Impfstoffe haben wir keinen Einfluss. Da ist immer ein zeitlicher Vorlauf zwischen dem Auftauchen der Grippeviren und der Verfügbarkeit der Impfstoffe. Mein Eindruck ist, dass die Hersteller gut im Zeitrahmen sind. Das ist auch in ihrem Interesse. Je früher und je mehr sie produzieren, desto mehr Impfstoffe können verkauft werden.
Wie wirkt der Impfstoff genau?
Er wird in einen Muskel gespritzt. Daraufhin werden weiße Blutkörperchen angelockt, die die Impfstoffbestandteile als fremd erkennen. Die weißen Blutkörperchen transportieren diese in die Lymphknoten, wo sie aufgearbeitet werden. Immunkompetente Zellen produzieren anschließend Abwehrstoffe. Diese wiederum fangen bei einer späteren Infektion die Viren ab, noch bevor sie in die Zelle eindringen. Dadurch wird die Virenvermehrung verhindert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen