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Vietnams Regierung verwehrt EinreiseDissidentin zurück in Deutschland

Die Regierung in Hanoi weigert sich, die schwer erkrankte Le Thu Ha wieder ins Land zu lassen. Damit verstößt sie gegen das Völkerrecht.

Nach dem Willen der Behörden war hier Endstation für Le Thu Ha: Terminal des Flughafens von Hanoi Foto: Imago/Schöning

BERLIN taz | Die vietnamesische Dissidentin Le Thu Ha ist am Donnerstag vormittag nach Deutschland zurückgekehrt, wo sie seit Juni dieses Jahres im politischen Exil lebte. Sie hatte zuvor vergeblich versucht, in ihre Heimat zurückzukehren. Das teilte die vietnamesische oppositionelle Organisation „Bruderschaft für Demokratie“ mit, deren Assistentin Ha lange war.

Den Angaben zufolge wurde sie in der Nacht zum Mittwoch am Hanoier Flughafen abgewiesen. Über Thailand wurde sie dann nach Deutschland abgeschoben. Polizisten hätten der Mutter der 34jährigen erklärt, ihre Tochter habe das Recht verwirkt, nach Vietnam zu reisen.

Was den Fall so bemerkenswert macht: Ha ist Bürgerin des vietnamesischen Staates, sie besitzt keine weitere Staatsangehörigkeit. Ein Land, dass die Aufnahme seiner eigenen Bürger ablehnt, handelt völkerrechtswidrig.

Das Leben in Deutschland nicht verkraftet

Im Juni war Le Thu Ha gemeinsam mit dem prominenten Rechtsanwalt und Dissidenten Nguyen Van Dai in Vietnam vorzeitig aus der Haft entlassen worden und nach Deutschland ausgeflogen. Ein Gericht hatte die junge Frau, die sich friedlich mit ihrer Kritik gegen die Regierung gestellt hatte, wegen angeblicher Vorbereitung zum Umsturz zu neun Jahren Haft mit anschließendem Hausarrest verurteilt.

Bis zu diesem Sommer hatte sie davon bereits zweieinhalb Jahre in strenger Isolationshaft abgesessen. In dieser Zeit erkrankte sie.Als Ha im Juni begnadigt wurde, wollte sie zwar das Gefängnis verlassen, aber nicht ins Ausland gehen.

Hanoi begnadigt politische Gefangene generell jedoch nur, wenn ein anderer Staat sie aufnimmt. So hatte sie schweren Herzens ihrer Ausreise nach Deutschland zugestimmt. Anders als der Rechtsanwalt Nguyen Van Dai verkraftete Ha das Leben im Exil nicht. Sie wurde in Deutschland nicht warm und litt unter Heimweh. Die Anglistin hatte krankheitsbedingt ihrer politischen Tätigkeit abgeschworen und wollte sich in ihrem Elternhaus ins Privatleben zurückziehen.

In vietnamesischer Haft erkrankt

Das Auswärtige Amt wollte sich gegenüber der taz aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht zu der Personalie äußern. Das vietnamesische Außenministerium bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP die Deportation nach Deutschland nicht. Eine Regierungssprecherin sagte lediglich, die Frau hätte im Sommer „aus humanitären Gründen“ nach Deutschland reisen dürfen.

Wie die taz aus Regierungskreisen erfuhr, gab es während der eintägigen Zwischenlandung von Le Thu Ha in Thailand Verhandlungen zwischen der deutschen und der vietnamesischen Regierung. Deutschland wollte auf Hanoi einwirken, die schwer kranke Frau ihrem Wunsch entsprechend aus humanitären Gründen aufzunehmen. Diese Verhandlungen sollen den Angaben zufolge gescheitert sein.

Der Menschenrechtler Nguyen Van Dai beschrieb im September bei einer Veranstaltung in der taz die Haftbedingungen in Vietnam als psychische Folter, unter der viele Gefangene erkranken würden: „Es gab keine geregelte medizinische Versorgung. Es gab keinen Hofgang. Ich saß den ganzen Tag nur in der Zelle. Zeitungen durfte ich nur zu den Mahlzeiten lesen. Wenn das Geschirr nach den Mahlzeiten geholt wurde, wurden die Zeitungen wieder mitgenommen. Ende der Lesezeit.“

Besuche von Verwandten waren nicht erlaubt. Das ist besonders fatal, weil die Angehörigen in vietnamesischen Haftanstalten die Gefangenen mit Wäsche und Medikamenten versorgen müssen.

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