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Vier Jahre Bürgerkrieg in SyrienSteinmeier erwägt Dialog mit Assad

Außenminister Steinmeier will Druck auf Assad ausüben. Laut WHO ist die Lage in Syrien dramatisch. Nun wurde womöglich erstmals eine US-Drohne abgeschossen.

Außenminister Steinmeier und der Präsident der syrischen Oppositions- und Revolutionskräfte, Khaled Khoja, im Auswärtigen Amt in Berlin. Bild: dpa

BERLIN/ABU DHABI/DAMASKUS rtr/afp | Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier schließt Gespräche mit der syrischen Regierung von Präsident Baschar al-Assad zur Beendigung des Bürgerkriegs nicht grundsätzlich aus. „Der Weg zu einem Ende der Gewalt führt einzig über Verhandlungen für eine politische Lösung, auch wenn das Gespräche mit dem Assad-Regime notwendig macht“, sagte Steinmeier der Süddeutschen Zeitung.

Dem Blatt zufolge geht man im Auswärtigen Amt davon aus, dass nur „massiv erhöhter Druck auf Assad, gekoppelt mit dem Angebot von ernsthaften Verhandlungen“ geeignet zu sein scheine, das militärische Patt zu überwinden und neue politische Bewegung zu erzeugen.

Zuletzt hatte US-Außenminister John Kerry erklärt, möglicherweise müsse der Druck auf Assad erhöht werden, um ihn zu Gesprächen über einen politischen Übergang in Syrien zu zwingen. Die Regierung in Washington stellte aber klar, dass damit keine direkten Gespräche mit Assad gemeint seien, für den es keine Zukunft in Syrien mehr gebe. Es gebe zwar die Notwendigkeit, dass Vertreter der syrischen Führung an Verhandlungen teilnähmen, aber niemals Assad selbst.

Die syrische Armee hat nun staatlichen Medien zufolge im Westen des Landes eine US-Aufklärungsdrohne abgeschossen. Das „feindliche“ Flugobjekt sei im Norden der Provinz Latakia von Abwehrraketen zerstört worden, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Sana am Dienstag. Das US-Militär erklärte seinerseits, dass es den Kontakt zu einer Predator-Drohne im Nordwesten des Landes verloren habe. Bislang könne aber nicht bestätigt werden, dass die Drohne abgeschossen worden sei. Der Vorfall werde geprüft, weitere Informationen würden folgen, erklärte ein Vertreter der US-Armee in einer E-Mail.

Sollte sich der Abschuss bestätigen, wäre dies das erste Mal seit dem Beginn der Luftangriffe der internationalen Militärkoalition gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), dass ein US-Flugobjekt von syrischen Truppen abgeschossen wurde. Syriens Regierung beteiligt sich selbst nicht an den Luftangriffen auf IS-Stellungen, griff bislang aber auch nicht gegen die beteiligten Streitkräfte ein.

WHO schlägt Alarm

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat angesichts der dramatischen Lage nach vier Jahren Bürgerkrieg in Syrien Alarm geschlagen. Der Konflikt habe „verhängnisvolle Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit“ in Syrien, sagte ein WHO-Vertreter am Rande einer Konferenz in Abu Dhabi am Mittwoch. Besonders problematisch sei, dass große Teile der syrischen Bevölkerung nicht erreichbar seien für eine medizinische Grundversorgung. Das gelte für Impfungen ebenso wie für die Trinkwasserversorgung. Es drohe eine Ausbreitung von Infektionskrankheiten, auch chronische Erkrankungen nähmen zu.

Im Februar hatte die WHO einen Hilfsappell über eine Milliarde Dollar veröffentlicht, um eine Gesundheitsversorgung für Millionen Menschen in den Konfliktländern Syrien, Irak, Zentralafrika und Südsudan zu gewährleisten; davon werden laut WHO allein mehr als die Hälfte für Syrien benötigt.

Der Bürgerkrieg in Syrien ging am Wochenende in sein fünftes Jahr. Bisher seien bei den Kämpfen mehr als 215.000 Menschen getötet worden, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Darunter seien mehr als 66.000 Zivilisten. Allein seit Anfang Februar seien mehr als 5000 Menschen gewaltsam ums Leben gekommen.

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4 Kommentare

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  • Wenn auch nicht alles perfekt war, Assad hatte seinerzeit immerhin eine neue Verfassung ausarbeiten lassen und zumindest den Weg für ein Mehrparteiensytem geöffnet, die alleinige Vorherrschaft der Baath-Partei darin für beendet erklärt. Nun konnte man daran sicherlich auch mäkeln, wie überhaupt am System Assad usw. Aber, wie der Westen seinerzeit darauf reagierte war aberwitzig. Als könnte man in Syrien von heut auf morgen ein demokratisches System installieren wie z.B. in D. Die Oppositionskräfte die in Syrien wirkten völlig ignorierend. Als ob da überall nette freundliche Demokraten am schaffen gewesen wären. Hier gab es schon seinerzeit radikal islamische Kräfte (Muslim Brotherhood), die sich im SNC fomierten, denen nicht ein demokratisches Modell im Sinne des Westens vorschwebte und wohl mehr die Chance sich an die Macht zu bringen nicht weit genug ging. So stellte sich irgendwann selbst die Hamas gegen Assad. Und das sagt ja Einiges, wer und was hier seine Chance witterte. Anstatt dass der Westen seinerzeit auf das Assadregime zugegangen wäre und man das Ganze auch als Chance für einen Übergang gesehen hätte, fing man diesen Unsinn an radikale Kräfte mit Waffen und Geld zu fördern. Kräfte auch wie Al Nusra, die, da sie ja noch stolz darauf sind, einige der Attentate auf Demonstranten bereits 2011 ausübten und das auch zugaben. Worüber im Westen natürlich kaum bis gar nicht berichtet wurde. So eskalierte der Konflikt aus xxx-Gruppierungen dass sich der Westen nicht wundern sollte wenn Syrer heute in Assad das viel kleinere Übel sehen, da um sie herum nur noch totales Chaos herrscht und sie jeder Lebensgrundlage beraubt sind. Und daran hat der Westen mit seiner bescheuerten Politik einen großen Anteil.

  • Die Verhandlungen müssen offener sein, damit sie eine Wirkung haben. Wenn das Regime einen zentralen Punkt, ein Zusammenhang hat, dann ist es Bashar al-Assad. Er ist der Chef und ihn werden sie nicht auf die Schnell opfern, wenn überhaupt.

     

    Soll er einfach so gehen oder sich zurückziehen? - die Regimeseite wird einfach nicht mitmachen.

    Und das ist die Gefahr: Es ist kein echtes Angebot, es geht gar nicht um Verhandlungen, sondern darum, die eigene gescheiterte Syrien-Politik zu tarnen.

     

    Diese Politik wurde extrem stark in Ankara gemacht und ist vollständig gescheitert. Wenn es stabile Zonen in Syrien gibt, dann werden sie vom Regime oder den Kurden gehalten.

    Alle anderen Gebiete sind Schlachfelder, auf denen westliche Waffen und Qatarische Dinar zum chaotischen Einsatz kommen. Der 'Islamische Staat' treibt sein eigenes, krankes Spiel.

     

    Die miese Bilanz dieser 'syrischen Revolution' hängt sehr stark mit der türkischen Position und mit dem Gewährenlassen durch Länder wie die USA oder Deutschland zusammen.

     

    Heute um 14.00 sieht dieser Konflikt so aus: Es wird abgekämpft, bis irgendjemand gewinnt, oder das Land zerfällt. Pseudo-Verhandlungen ändern am Szenario nichts.

    • @Andreas_2020:

      Erdolf träumt wohl davon der Sultan von New Ottoman zu sein. Sein Palast "Mit einer Grundstücksfläche von 200.000 Quadratmetern, einer Gebäudefläche von 40.000 Quadratmetern,[2] um die eintausend Zimmern und einer Bausumme von 491 Millionen Euro[3] ist einer der größten Staatspaläste der Welt"

      http://de.wikipedia.org/wiki/Cumhurba%C5%9Fkanl%C4%B1%C4%9F%C4%B1_Saray%C4%B1

      Und wie der gegen Demonstranten vorgeht... Verhaftungen von Gegnern usw. Kommen da jetzt bald die Saudis, Katar, der Westen...?

  • 5G
    5393 (Profil gelöscht)

    "Dem Blatt zufolge geht man im Auswärtigen Amt davon aus, dass nur", dass NUR. So schreibt man am Ende den Schulaufsatz, so macht man keine nachhaltige Politik. Die Strategen des Auswärtigen Amtes lasen eben offenbar NICHT die Life Style Blätter, die sich vor der sog. "Revolution" ständig mit Syrien befassten, Syrien war politisch kaum mehr ein Thema. Dann hätte man wissen müssen, wo es in Syrien lang geht, dazu sprachen syrische Vertreter weltweit auf anerkannten Foren vor Diplomaten etc. kritischen Kulturschaffenden usw. - manches davon findet man auf Youtube. Das gleiche noch zustimmende Auditorium wurde nach der sog. Revolution auf einmal ganz still. Syrien hat die auf den Foren gezeigte Richtung überhaupt nicht zurück genommen, inkl. einen Weg, der sich mehr an Brasilien orientieren sollte als an Europa oder den umliegenden Ländern. Im Auswärtigen Amt betreibt man Politik a jour und nicht nachhaltig. Syrien wurde mitten im Transformationsprozess erwischt von Ereignissen, die niemand auch in Syrien für möglich hielt. Man kann in Afghanistan, Libyen, Irak etc. sehen, was "nur" Druck gebracht hat. Die beste Lösung kommt von dort selbst, nämlich Frieden zwischen Iran, Syrien und Israel plus Lösung der Palästinafrage und die vermeintlich ultrakonservative Ayelet Shaked hat den besten Vorschlag, nämlich Palästina gründet mit Jordanien einen eigenen großen Staat (inkl. mögl. Autonomie) inkl. der Palästinensergebiete und damit verbundener auch wirtschaftlicher Nachhaltigkeit. Ein weiteres Irak braucht keiner.