Videoüberwachung in Berlin: Reisende Überwachung
Innensenator Andreas Geisel (SPD) stellt mobile Überwachungskameras vor. Die Methode hat sich die Polizei in Israel abgeguckt.
Das Ding erinnert an ein Sehrohr aus alten Kriegsfilmen. Aus dem U-Boot kommend, von unsichtbarer Hand gelenkt, dreht es sich hin und her. Alles was sich bewegt wird beobachtet.
Diese Sehrohre hier kommen aber nicht aus dem Wasser. Sie befinden sich an Land. Genau gesagt handelt es sich um mobile Kameras, die auf Anhänger montiert sind. Und Thomas Karkhoff ist nicht Kommandant. Er ist Polizist. Bislang war er im Polizeipräsidium für sogenanntes „taktisches Fernsehen“ zuständig. Das sind Filmaufnahmen, die vom Hubschrauber und aus den Mannschaftswagen bei Demonstrationen und Fußballspielen gemacht werden.
Nun jedoch hat Karkhoff eine neue Aufgabe. Er ist der Kopf eines Teams, dass die mobile Videoüberwachung testen soll. Dass die Polizei mittels mobiler Kameras öffentliches Straßenland überwachen kann, ist neu in Berlin. Nicht die CDU hat das möglich gemacht, sondern der rot-rot-grüne Senat.
Zwei Anhänger mit der entsprechenden Technik hat die Polizei inzwischen beschafft. 60.000 Euro hat der Kleinere gekostet, 120.000 Euro der Größere. Bereits zum symbolischen Spatenstich für die neue Polizeiwache am Alexanderplatz Anfang September hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) Geisel den kleineren Anhänger mitgebracht. Da diente er aber nur als Kulisse für die Fotografen. Am Donnerstag in die Revaler Straße in Friedrichshain stellten Geisel und Polizeipräsident Klaus Kandt das neue Gerät nun erstmals vor. Mit dabei Thomas Karkhoff.
Die Kameras: Die Polizei hat zwei mobile Kamerawagen angeschafft. Eingesetzt werden sollen sie an fünf sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten. Das sind: Warschauer Brücke (Friedrichshain), Alexanderplatz (Mitte), Kottbusser Tor (Kreuzberg), Hermannplatz (Neukölln) und Leopoldplatz (Wedding).
Die Testphase dauert drei Monate. Danach werden möglicherweise weitere Kamerawagen angeschafft.
Die Rechtsgrundlage ist der Paragraf 24 des bestehenden Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (Asog). Die Speicherfrist der Bilder beträgt zwei Monate. (plu)
Wie ein Klohäuschen
Der Aufbau auf dem Anhänger sieht aus wie ein Klohäuschen aus Edelstahl. Ein blaues Schild mit weißem Kamerasymbol soll der Öffentlichkeit bedeuten, dass gefilmt wird. Aus dem Dach des Häuschens ragt ein Rohr mit einer Querstange. Zwei schwenkbare Kameras sind daran befestigt. Im Polizeiwagen sitzend kann Karkhoff die Kameras mittels eines Laptops steuern. Will er wissen, was sich am anderen Ende der Straße abspielt, fährt er die Stange sechs Meter in die Höhe. Die Stange auf dem größeren Wagen schaffe sogar neun Meter, erzählt Karkhoff.
Erprobt werden sollen die mobilen Kameras an fünf sogenannten kriminalitätsbelasteten Orte der Stadt. Das sind: Warschauer Brücke (Friedrichshain), Alexanderplatz (Mitte), Kottbusser Tor (Kreuzberg), Hermannplatz (Neukölln) und Leopoldplatz (Wedding). Karkhoff und seine Leute werden mit den Kameras mitfahren und die Technik betreuen. Gefragt, wie er seinen neuen Job verstehe, kam es wie aus der Pistole geschossen: „Ich bin reisender Gewerbetreibender in Sachen Videoüberwachung.“
Dass die Bilder gestochen scharf sind, davon konnten sich die Journalisten am Donnerstag in der Revaler Straße überzeugen. Polizisten in Uniform und Zivil simulierten in einem abgesperrten Bereich eine Schlägerei. Gefilmt wurde aus 40 Meter Entfernung. Zoomte man die Bilder, waren kleinste Details zu sehen. Selbst die Handymarke sei zu erkennen, pries Polizeisprecher Winfrid Wenzel die Technik – das sei das Neueste vom Neuen.
Mobile Kameras wie diese seien in Israel Standard, sagte Geisel. In Tel Aviv habe sich die Polizei informiert. Erweise sich das Ganze nach einer dreimonatigen Testphase als erfolgreich, sei die Anschaffung weiterer Kameras geplant. Nach der Dauer des jeweiligen Einsatzes gefragt, sagte Kandt: „Das wird in Blöcken erfolgen.“ Stundenlang geschweige denn tagelange würden die Kameras nicht an sein.
Allein auf der Straße herumstehen lassen werde man die Anhänger aber keinesfalls, sagte Wenzel. „Wir glauben nicht, dass sie überall beliebt sind.“ Graffiti und Vandalismus seien zu befürchten. „Wir nehmen sie immer mit nach Hause“, betonte Geisel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies