Video der Woche: Kai D. aus B. in der Roaming-Falle
Waschechter Skandal: Auf exakt 46.128,63 Euro beläuft sich die Januarrechnung der Telekom für einen gewissen Kai D. aus B. Dabei wollte er nur im Urlaub arbeiten.
Die Spekulationen haben ein Ende: Auf exakt 46.128,63 Euro beläuft sich die Januar-Rechnung der Telekom für einen gewissen Kai D.* – darin enthalten Roaming-Gebühren in Höhe von ca. 42.000,00 Euro, weil Herr D. während eines Kurztrips nach Marokko sein Blog mit Videofilmen bestückte.
Nachdem sich die taz schon auf einen fiktiven "Bild"-Titel "Gerda P. in der Schuldenfalle: Die Roaming-Abzocke der Telekom" gefreut hatte, findet sich seit dem 23.6.2010 auf Youtube ein Video, hochgeladen von einem gewissen „KaiDausB“.
Einen Ordner mit der handschriftlichen Anklage „Marokko!“ vor sich, prangert der „anonyme“ „Kai D. (45)“ die Methoden der Telekom an und hofft ganz uneigennützig, dass sein Fall wenigstens künftig „solche menschenverachtenden Ungerechtigkeiten zu verhindern“ helfe.
Schließlich folgt ein Spendenaufruf für das von ihm gegründete Aktionsbündnis „Anonyme Roaming-Opfer“. „Anonymisiert“ durch einen Augenbalken, ist Kai D. in etwa so wenig zu identifizieren wie hin und wieder Personen auf entsprechend bearbeiteten Bildern in dem von ihm geleiteten Blatt.
Ganz so schlagfertig, wie es das Video suggerieren möchte, ist Kai D. dann aber doch nicht: Auf der Telekom-Rechnung ist ein Abrechnungszeitraum vom 1.1. bis 31.1.2010 angegeben. Diese Rechnung dürfte er in der ersten Februarhälfte erhalten haben – mehr als vier Monate vor Veröffentlichung des Videos. Genug Zeit also, um allerlei Kontakte spielen zu lassen und mit der Telekom über einen Preisnachlass zu feilschen. Anscheinend erfolglos.
Auch wenn es inzwischen heißt, sein Arbeitgeber wolle die Roaming-Kosten übernehmen, könnte man auf die Idee kommen, Kai D. versuche nun den Schaden durch Einnahmen aus redaktioneller Werbung auszugleichen: Nicht nur läuft er zu Beginn des Spots in der Rolle des vitalen Mittvierzigers demonstrativ mit Lidl-Tüten durchs Bild und lässt sich anschließend mit Apple-Produkten filmen. Auch zur Telekom schlägt Herr D. die Tür noch nicht ganz zu, sondern hantiert in Nahaufnahme mit allerlei technischen Geräten, die wohl nicht zufällig deren Logo tragen.
Besonders verwundert, dass der Spot durch den allseits bekannten Trailer von „Spiegel TV“ eingeleitet wird. Den Spiegel-Justitiaren ist zwar von einer Anfrage nichts bekannt, sie wollen aber nicht ausschließen, dass es eine Absprache auf anderer Ebene gegeben habe.
Alles andere würde auch erstaunen. Denn als die taz mal das von Kai D. geleitete Blatt in einem Kinospot einsetzte, bewies dessen Verlag noch weniger Humor als jetzt Kai D. – und produzierte nicht etwa ein „Gegen-Video“, sondern klagte.
*Name streng anonymisiert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett