Video der Woche: Endlich Datenschutz!
Nur beinahe wie Werbung: Eine satirische Animation karikiert die Gier von Facebook nach Nutzerdaten. Der Macher ist ein alter Bekannter der Netzgemeinde.
Wirbt diese Stimme für Facebook? "Hier sind alle Deine zukünftigen Freunde nur einen Klick entfernt." Auf den ersten Blick könnte man das meinen, wenn sie sagt: "Bei uns kannst Du Ihnen alles mitteilen: Welche Turnschuhe Du gerade kaufen möchtest, mit wem Du am Wochenende geknutscht hast." Auch der Datenschutz sei erst vor kurzem wieder verbessert worden, teilt die Stimme mit: "Selbstverständlich waren unsere Nutzer damit einverstanden." Doch was heißt "verbessert"?
Der Animationsfilm "Willkommen bei Facebook" (zu sehen im Blog der NDR-Satiresendung "Extra3") gibt darauf knapp zwei Minuten lang eine Antwort zum Anschauen. Sie lautet: Wenn die Betreiber des sozialen Netzwerkes ihren Datenschutz ändern, nutzt das vor allem ihnen selbst. Nur ausgesprochen wird das so natürlich nicht. Stattdessen freut sich die Sprecherstimme zum Beispiel, dass man den "Partnern aus der Wirtschaft" etwas bieten könne: "Sie möchten doch so gern alles über dich wissen". Oder der Sprecher lobt die "übersichtlichen Privatsphäreneinstellungen", während diese gleichzeitig als ziemlich unübersichtliches Diagramm dargestellt werden.
Facebooks Umgang mit der Privatsphäre seiner Nutzer ist schon lange umstritten: Im Februar 2009 etwa kam es zu einen Aufschrei, als das Unternehmen sich durch heimliche Änderungen der Nutzungsbedingungen die Rechte selbst an gelöschten Daten und abgemeldeten Profilen sichern wollte. Im Januar dieses Jahres sorgte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg für Wirbel mit der These, Privatsphäre an sich sei "eine alte Konvention" und "überholt". Sein neuester Plan: Profildaten der inzwischen 500 Millionen Nutzer sollen künftig automatisch an "überprüfte Partner-Webseiten" weitergegeben werden dürfen.
Kein Wunder also, dass der Datenschutz des sozialen Netzwerks aus den USA vielen ein Dorn im Auge ist. Nicht nur Datenschützer, auch Nutzer ziehen immer öfter Konsequenzen. Zum Quit Facebook Day am 31. Mai dieses Jahr etwa hatten mehr als 35.000 Nutzer angekündigt, ihr Profil zu löschen. Und selbst Deutschlands oberste Facebook-Wächterin, Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU), hat sich nach mehrmaligem Androhen Anfang Juni dazu durchgerungen, symbolisch ihr Profil löschen zu lassen.
Auch der "Extra3"-Clip "Willkommen bei Facebook" kann als eine Art Protest gegen das Unternehmen gewertet werden. Produziert wurde er von dem Filmemacher Alexander Lehmann, der seine Fähigkeiten schon zuvor bei anderen netzpolitischen Themen eingesetzt hatte. In einer ähnlichen Optik, aber deutlich ernsterem Ton hatte Lehmann etwa die von der früheren Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) geplanten Internetsperren kritisiert (Titel: "Rette Deine Freiheit" * ). Noch davor war er mit dem Clip "Du bist Terrorist" bekannt geworden, der vor zunehmender staatlicher Überwachung warnte; das Video erhielt mehrere Filmpreise und wurde als Wahlspot der Piratenpartei bei der Bundestagswahl 2009 im Fernsehen gezeigt.
Nach der staatlichen hat Lehmann nun also die private Überwachung aufs Korn genommen. Augenzwinkernder zwar als es seine bekannten netzpolitischen Clips tun, doch ganz ohne Warnungen kommt der Netzaktivist auch diesmal nicht aus: So freut sich der Sprecher schon mal auf die nächste "Verbesserung" des Datenschutzes - durch die private Nachrichten und Adressbücher bei Facebook dann "endlich" auch den Werbekunden zugänglich werden.
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