Víctor Manuel Fernández: Kuss-Experte bald Glaubenspräfekt

„Tucho“ Fernández wird Chef der wichtigsten Behörde im Vatikan. Er gibt sich weltoffen, in Sachen Missbrauchsprävention ist wenig zu erwarten.

Papst Franziskus und Victor Manuel Fernandez umarmen sich im Vatikan

Der 1962 geborene Fernández schrieb als Ghostwriter viele Reden und Texte für Papst Franziskus Foto: Romano Siciliaini/Vatican Media

Berlin taz | Papst Franziskus hat mit Victor Manuel Fernández einen veritablen Kuss-Experten zur Nummer Zwei im Vatikan gemacht. Am Samstag ernannte der Pontifex den argentinischen Erzbischof zum Leiter des Dikasteriums für die Glaubenslehre, dem wohl wichtigsten vatikanischen Ministerium.

Fernández wird in Zukunft darüber wachen, dass sich keine Irrlehren in der katholischen Kirche verbreiten. Von 1981 bis zu seiner Papstwahl 2005 hatte Joseph Ratzinger dieses Amt inne, später der umstrittene Regensburger Gerhard Ludwig Müller.

Zuletzt fungierte der spanische Kardinal Luis Ladaria als oberster Glaubenswächter. Laut Vatikan wird Fernández, der in seiner argentinischen Heimat den Spitznamen „Tucho“ trägt, Mitte September sein Amt als Glaubenspräfekt antreten.

Die Ar­gen­ti­nie­r:in­nen scherzen schon lange über die Versuche des Erzbischofs, die Kirche populärer zu machen. 1995 hatte Fernández ein Buch unter dem Titel „Sáname con tu boca. El arte de besar“ veröffentlicht, was auf Deutsch so viel bedeutet wie „Heile mich mit deinem Mund. Die Kunst des Küssens.“

„In einem Kuss das Beste aus dir herausholen“

Ein steiler Titel für einen katholischen Priester, der eigentlich zölibatär leben sollte. Seit der Veröffentlichung kursiert in Argentinien in Anlehnung an ein bekanntes Liebeslied der Scherz „Tucho bésame mucho“, also „Tucho, küss mich oft“.

Im Vorwort stellt Fernández klar, dass er in seinem Buch nicht so sehr von eigenen Erfahrungen berichtet, „sondern aus dem Leben von Menschen, die küssen.“ Er habe den Text geschrieben im Versuch, den Reichtum des Lebens zusammenzufassen. „Ich hoffe, dass er dir hilft, besser zu küssen, dass er dich motiviert, in einem Kuss das Beste aus dir herauszuholen.“Der 1962 geborene Fernández schrieb oder entwarf als Ghostwriter viele Reden und Texte für Papst Franziskus. Beide stehen sich theologisch nahe. Ungewöhnlicher Weise flankierte Papst Franziskus die Entscheidung für Fernández mit einem öffentlichen Brief. Der Präfekt und die Gläubigen insgesamt seien dafür da, „Rede und Antwort zu stehen für unsere Hoffnung, aber nicht als Feinde, die anzeigen und verurteilen“.

Das Glaubensministerium ist die Nachfolgebehörde der römischen Inquisition. Unter Joseph Ratzinger hatte es eine Reihe von lateinamerikanischen Be­frei­ungs­theo­lo­g:in­nen mit Kirchenstrafen überzogen. Diese Tradition scheint Franziskus mit der Entscheidung für einen argentinischen Glaubenspräfekten für beendet zu erklären.

Seit 2022 ist auch die Päpstliche Kommission für den Schutz von Minderjährigen dem Glaubensministerium unterstellt. Kinderschutzexperte und Ex-Kommissionsmitglied Hans Zollner hatte diese Entscheidung kürzlich in einem Interview mit der taz kritisiert.

Der neue Präfekt wird in Sachen Missbrauchsprävention kaum etwas aus seinem Amt herausholen können, denn im Begleitbrief betont der Papst, dass Fernández sich nicht um die Verfolgung sexuellen Missbrauchs kümmern möge, sondern um den „Hauptzweck“ seines Amtes: den Glauben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.