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VfL Wolfsburg-Frauen im KrisenmodusOhne neues Mindset geht es nicht

Kommentar von Christian Otto

Nach dem Abgang von Tommy Stroot muss der VfL Wolfsburg sein Frauenfußball-Team neu sortieren – zumindest, wenn es international mithalten können will.

Am Ende stand es 1:4: Wolfsburgs Trainer Tommy Stroot bei Champions League-Heimspiel gegen Barcelona am 19. März 2025 Foto: dpa | Swen Pförtner

S ein plötzlicher Abgang regt zum Nachdenken an. Vier Spieltage sind in der Frauenfußball-Bundesliga noch zu bestreiten. Der VfL Wolfsburg hat sechs Punkte Rückstand auf den FC Bayern München. Noch wäre ein Wunder also möglich gewesen.

Aber Tommy Stroot wollte jenen Verein, der in den vergangenen Jahren Titel in Serie eingesammelt hat, sofort verlassen. „Ich spüre nicht mehr die Energie in mir“: Mit diesen und weiteren einfühlsamen Worten ist der Cheftrainer des VfL Wolfsburg abgetreten. Ob das sein freier Entschluss war oder der Verein sich ohnehin von ihm hätte trennen wollen, bleibt unklar. In jedem Fall muss das Thema Frauenfußball beim erfolgsverwöhnten VfL Wolfsburg neu sortiert werden.

Für eine angemessene Einordnung der Personalie Stroot hilft ein Blick zurück auf mindestens ein Jahrzehnt. Die Frauen des VfL Wolfsburg sind es im Grunde nicht mehr gewohnt, in der Bundesliga, im DFB-Pokal oder in der Champions League eine Saison ohne Titel zu beenden.

Mit Stroot hatte der Verein 2021 einen ambitionierten Analytiker verpflichtet, um im nationalen und internationalen Wettrüsten mithalten zu können. Vereine wie der FC Barcelona, Olympique Lyon und der FC Chelsea verfügen mittlerweile über Budgets und Spielerkader auf einem enorm hohen Level.

Viertelfinal-Klatsche in der Champions League

Vielleicht hat Stroot es eine Weile lang geschafft, den Leistungsunterschied mit Hilfe kluger Methoden und Strategien zu übertünchen. Aber zuletzt war in der Champions League unübersehbar geworden, dass der VfL Wolfsburg trotz großzügiger Unterstützung durch den Volkswagen-Konzern überholt worden ist. 1:4 und 1:6 – im Viertelfinale der Champions League war angesichts von Niederlagen in dieser Höhe ein Klassenunterschied sichtbar geworden.

Brauchen die Fußballfrauen des VfL Wolfsburg wirklich einen neuen Trainer oder eine neue Trainerin? Oder benötigen Mannschaft und Verein vielmehr ein neues Mindset? Erstmals seit 13 Jahren droht dem Verein eine titellose Saison.

Bis auf Weiteres hat mit Sabrina Eckhoff die bisherige Co-Trainerin von Stroot die Betreuung der Mannschaft übernommen. Sie kann vorweisen, in den vergangenen vier Jahren hautnah miterlebt zu haben, wie sich der Gewinn einer Deutschen Meisterschaft (2022) und ein Triumph im DFB-Pokal (2022, 2023 und 2024) anfühlen.

Und doch dürfte allen Beteiligten klar sein, dass es sich bei ihrer Beförderung eher um eine temporäre Maßnahme handelt. Die Suche nach einer neuen sportlichen Leitung bleibt beim VfL Wolfsburg mit der spannenden Frage verbunden, was der Verein im Frauenfußball überhaupt noch bewegen und erreichen will. Oder kann.

Stroot hat den VfL weiterentwickelt

Von Stroot bleibt in Erinnerung, dass er in besonderer Weise in der Lage ist, über den Frauenfußball an sich, über Spielstrategien und taktische Feinheiten zu plaudern. Er darf für sich noch eine ganz Weile für sich in Anspruch nehmen, den VfL Wolfsburg auf einem ohnehin schon hohen Level weiterentwickelt zu haben.

Andererseits bleibt hängen, dass an ihm vor allem in den sozialen Netzwerken Kritik geäußert worden ist. Die Tatsache, dass Stroot im vergangenen Sommer seinen Abschied aus Wolfsburg angekündigt hatte, dann aber doch noch seinen Vertrag verlängerte, warf auch unangenehme Fragen auf. Die Vereinsführung um Geschäftsführer Peter Christiansen und Sportdirektor Ralf Kellermann wird sich nun selbst fragen, ob nicht ein wenig Zeit vertrödelt worden ist.

In jedem Fall ist mit dem nun endgültigen Abschied des Trainers ein neues Wettrennen entstanden. Wer ist in der Lage, sich schneller zu berappeln? Der Verdacht liegt nahe, dass Stroot schneller eine neue, hochkarätige Beschäftigung findet als der VfL Wolfsburg seinen Weg zurück in die internationale Spitze.

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