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VfB Lübeck ist wieder mal pleiteDie chronisch Unterfinanzierten

Schon zweimal musste der VfB Lübeck Insolvenzen durchmachen. Nun ist es wieder eng. Das Problem: Ist der Fußball pleite, trifft das den ganzen Verein.

Kann nicht aus dem Vollen schöpfen: VfB Lübecks Trainer Guerino Capretti Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Hamburg taz | Wenn man sich die gute alte Zeit wie ein Konto vorstellt, auf dem im Laufe der Jahre stetig aufs Neue besonders schöne Erlebnisse und Erfolge verbucht werden, dann hätte der VfB Lübeck in den vergangenen 15 Jahren dort herzlich wenig eingezahlt. Gut, es ging zweimal (2020, 2023) der Aufstieg in die 3. Fußball-Liga darauf ein. Aber nachhaltig war das ja nicht, es folgte jeweils die direkte Rückkehr. Und sonst noch? Äh, tja, nee – nix!

Die wirklich gute alte Zeit liegt noch länger zurück. Vor 23 Jahren, am 7. Oktober 2002, war die Zeit so gut wie selten sonst in der Historie des 1919 gegründeten Vereins. Der Aufsteiger belegte nach dem achten Zweitliga-Spieltag hinter dem SC Freiburg und dem 1. FC Köln und vor Eintracht Frankfurt und Mainz 05 den dritten Tabellenplatz, der damals noch zum direkten Aufstieg in die Bundesliga berechtigte.

Zwar kam es nicht zur Sensation, dass der VfB viele Jahre vor Holstein Kiel als erster schleswig-holsteinischer Verein in der Bundesliga mitspielen durfte. Der Zweitliga-Klassenerhalt war für das Team des damaligen VfB-Trainers Dieter Hecking aber eine souveräne Angelegenheit. Und in der Saison darauf ging es im DFB-Pokal bis ins Halbfinale, welches die Lübecker bei Werder Bremen unglücklich mit 2:3 n. V. verloren.

Die aktuellen Gegner des Clubs tragen andere Namen: SSV Jeddeloh II etwa oder FSV Schöningen. Oder auch 1. FC Phönix Lübeck. Der kleine Lokalrivale stand in der vergangenen Saison der viertklassigen Regionalliga Nord erstmals nach vielen ­Jahren in der Abschlusstabelle besser als der VfB da. Am gestrigen Sonntag standen sich die Teams im Stadtderby gegenüber. Der VfB musste sich im Auswärtsspiel mit 0:2 geschlagen geben.

Wie die Gegner auch heißen mögen, die schwierigste Aufgabe ist für den VfB Lübeck seit Langem offensichtlich eine andere – gutes Management! Mitte Juli wurde auf einem Infoabend mit dem Namen „Wie kam die Million weg?“ dazu Klartext gesprochen.

VfB Lübeck muss Löcher stopfen

„Der VfB befindet sich in einer chronischen und strukturellen Unterfinanzierung. Die gibt es nicht erst seit der Saison 2024/25, sondern seit Jahren. Das unterstreichen die beiden Insolvenzen, die der Verein schon durchmachen musste“, sagte der in die Finanzkommission berufene Kaufmann Maik Becker. „Die Kosten können nicht von den operativen Umsätzen gedeckt werden. Daher hat man Gelder aus der Folgesaison genutzt, wie etwa Dauerkartenverkäufe und Sponsorenleistungen. Dasselbe wurde auf der Kostenseite gemacht, sodass hier Kosten aus der aktuellen Saison in die nächste geschoben wurden. Löcher wurden durch Einzelmaßnahmen gestopft.“

War im Dezember 2024 zunächst von einem Fehlbetrag von einer Million Euro die Rede, waren es drei Monate später 1,5 Millionen Euro. „Unsere Erkenntnis ist, dass bei einem mittelständischen Unternehmen mit einem Millionen-Umsatz und nicht trivialen Geschäftszweigen derartige Vereinsstrukturen nicht funktionieren können. Sie sind dysfunktional“, wurde Jurist Detlef-Meyer-Stander von HL Sports zitiert.

Erheblicher Druck kam dann vonseiten des Finanzamtes Lübeck. Dieses fordert die Ausgliederung des Spielbetriebs der ersten Herrenmannschaft aus dem VfB Lübeck. „Das war keine Bitte des Finanzamtes. Wir müssen das prüfen, damit der Verein seine Gemeinnützigkeit nicht verliert“, sagte der Vorsitzende Dieter Gudel an jenem Abend. „Wenn der Fußball im Verein pleite ist, fliegt der gesamte Verein in die Luft – also auch alle anderen Abteilungen.“

Wenn der Fußball im Verein pleite ist, fliegt der gesamte Verein in die Luft – also auch alle anderen Abteilungen.

Dieter Gudel, Vorsitzender des VfB Lübeck

Im Telefongespräch mit der taz erklärte Gudel nun, dass seit dem Infoabend Mitte Juli weitere Schritte vollzogen worden seien. „Wir haben viele Einschnitte gemacht, damit wir uns finanziell neu aufstellen. Mit allen Schwierigkeiten, die das mit sich bringt. Unser Ziel ist es, dass wir möglichst bis zum Beginn der nächsten Saison den Verein konsolidiert haben“, sagte der VfB-Vorsitzende. „In der Jahreshauptversammlung am 18. Oktober werden wir als Vorstand gemeinsam mit dem Aufsichtsrat der Mitgliederschaft eröffnen, dass wir gerne das Mandat hätten, eine Ausgliederung zu planen und zu vollziehen.“

Während ein solcher Schritt schon mal eine Anhängerschaft auf die Barrikaden bringt, ist beim VfB diesbezüglich nichts zu erkennen. Es scheint, als beschleiche die Anhängerinnen und Anhänger das Gefühl, dass es womöglich die letzte Chance für den Verein sein könnte. Oft genug hatten sie in der Vergangenheit ja schon Geld gesammelt, um ihren VfB zu retten. So auch im Dezember 2024, als Fans, Sponsoren und andere Vereine rund eine Million Euro einsammelten. Drei Monate später tat sich dann aber schon die nächste Lücke von 480.000 Euro auf.

Erfolge in weiter Ferne

Im Hinblick auf die Versammlung am 18. Oktober nehme er in der Mitgliederschaft eine positive Stimmung bezüglich einer Ausgliederung wahr, so Gudel. In knapp zwei Wochen gibt es Gewissheit. Bis es große sportliche Erfolge der Mannschaft gibt, an die sich die VfB-Fans auch Jahre später mit Freude erinnern, wird es länger dauern – viel länger.

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