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Verzögerungen bei Stuttgart 21Bahn-Vorstand Kefer tritt zurück

Der für den Bau des Stuttgarter Bahnhofs zuständige Manager gibt seinen Posten auf. Das Aktionsbündnis gegen S21 sieht den Schritt als „Eingeständnis des Scheiterns“.

Das Lächeln ist ihm vergangen: Volker Kefer Foto: dpa

Berlin/Stuttgart dpa | Der Infrastruktur-Vorstand der Deutschen Bahn Volker Kefer gibt überraschend seinen Posten auf. Der Stellvertreter von Vorstandschef Rüdiger Grube reagierte damit auf Kritik an seiner Amtsführung. Ihm wurde angelastet, den Aufsichtsrat zu spät über Kostensteigerungen beim Projekt Stuttgart 21 informiert zu haben. Der Aufsichtsrat kommt am Mittwoch in Berlin zusammen. Kefer soll dort die jüngste Entwicklung bei Stuttgart 21 darlegen.

Kefer habe den Aufsichtsratsvorsitzenden Utz-Hellmuth Felcht darüber informiert, „dass er für eine Verlängerung seines im September 2017 endenden Arbeitsvertrages nicht zur Verfügung steht“, teilte die Bahn am Dienstagabend mit. Kefer werde „bis zur Regelung seiner Nachfolge im Amt bleiben und seine Aufgaben weiterhin vollumfänglich wahrnehmen“. Felcht fügte hinzu, der Aufsichtsrat werde nun eine Regelung zur Nachfolge treffen. Er nehme Kefers Entscheidung „mit großem Respekt und Wertschätzung entgegen“.

Der 60 Jahre alte Kefer ist seit 2009 im Vorstand der Bahn und kümmert sich seit 2010 auch um das Milliardenprojekt Stuttgart 21. Vor zwei Wochen wurde bekannt, dass der bisherige Kosten- und Zeitplan für den Bau eines neuen unterirdischen Durchgangsbahnhofs in Stuttgart samt Zubringerstrecken wahrscheinlich nicht zu halten ist.

Aus dem Aufsichtsrat wurde daraufhin Kritik laut. Der stellvertretende Vorsitzende Alexander Kirchner äußerte am Sonntag sein Unverständnis darüber, dass noch vor drei Monaten erklärt worden sei, mit Stuttgart 21 sei alles in Ordnung. Dies habe sich jetzt als falsch erwiesen, hatte Kirchner gesagt, der Chef der Eisenbahngewerkschaft EVG ist.

Parkschützer sehen sich bestätigt

Die Kritiker des Bahnprojektes Stuttgart 21 werten den Rückzug von Volker Kefer aus der Spitze des Bahnkonzerns als „Eingeständnis des Scheiterns“ des Milliardenvorhabens. „Der für Stuttgart 21 verantwortliche oberste Bahnmanager zieht nun offenbar seine persönliche Notbremse vor dem sicheren Aufprall auf dem Prellbock eines baulich, finanziell und kommunikativ völlig unkontrolliert taumelnden Projekts“, teilte das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 am Mittwoch mit. Die Aktivistengruppe Parkschützer sieht sich in der Forderung nach einem Umstieg vom geplanten Tiefbahnhof auf die Modernisierung des bestehenden Kopfbahnhofs bestärkt.

Bei Stuttgart 21 ist nach der jüngsten Bestandsaufnahme der Bahn die angepeilte Inbetriebnahme Ende 2021 in Gefahr. Es könnte dem internen Bericht zufolge bis zu zwei Jahre länger dauern. Außerdem ist der finanzielle Puffer von 500 Millionen Euro fast aufgebraucht. Bislang liegt der vom Aufsichtsrat festgelegte Finanzierungsrahmen bei 6,5 Milliarden Euro. Von den Projektpartnern sind knapp 6,0 Milliarden Euro als Investitionsbudget genehmigt. Bei dem Vorhaben sind laut Bahn-Gutachten seit Ende 2012 durch externe Faktoren Kostenrisiken in Höhe von 623 Millionen Euro hinzugekommen.

Kefer ist bislang zudem maßgeblich verantwortlich für das Modernisierungsprogramm „Zukunft Bahn“, mit dem der Konzern wettbewerbsfähiger werden will. Auf der Tagesordnung des Aufsichtsrats am Mittwoch steht auch das Sanierungskonzept für die Güterbahn-Tochter DB Cargo.

Diese war 2015 in die Verlustzone gerutscht mit einem Ergebnis vor Zinsen und Steuern von minus 183 Millionen Euro. Die Bahn will nun mehr als 200 von 1.500 Güterbahnhöfen in Deutschland stilllegen. Das würde nach diesen Plänen 2.100 Arbeitsplätze kosten. Ende 2018 soll dann die Gewinnschwelle wieder überschritten werden. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat verlangen einen offensiveren Kurs, der sofort auf Wachstum setzt. In der Sitzung am Mittwoch soll ein Kompromiss gefunden werden.

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10 Kommentare

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  • Leider übernimmt der Artikel unkritisch bzw. unkommentiert einige Angaben aus dem Bahngutachten.

     

    Die dort benannten, angeblich entschuldigenden, externen Faktoren sind schon lange bekannt - u.a als Posten in der 121 Punkte umfassenden Riskoliste des ehemaligen Projektleiters Azer welche lange unter Verschluß gehalten wurde. Es ist nichts als scheinheilig diese Faktoren jetzt als "überraschende" kostentreibende Neuheiten darzustellen.

     

    Zweitens muß darauf hingewisen werden daß bereits kosten- aber auch qualitätsmindernde Maßnahmen durchgeführt wurden.

     

    Drittens ist darauf hinzuweisen daß mehr als 7 (!) Jahre vor angeblicher Fertigstellung (und obwohl mittlerweile Modifikationen wie 2 weitere zusätzliche unterirdische Gleise von Projektinteressentenseite eingefordert wurden) der Risikopuffer nur noch 15 (!) Millionen (!) EUR beträgt. Zitat Stutgarter Zeitung: "Nur drei Jahre nach der Kostenexplosion von 4,5 auf 6,526 Milliarden Euro gilt der damals vom Aufsichtsrat gewährte Nachschlag als aufgezehrt. Siebeneinhalb Jahre vor der Fertigstellung bleibt nur ein Mini-Puffer von 15 Millionen Euro". http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-21-steht-stuttgart-21-auf-der-kippe.1c04d007-c153-46b5-9951-0ae13bdb0c0c.html

     

    Dennoch glauben die "Verantwortlichen" ein Projekt weiterbauen lassen zu müssen dessen letztendliche technische Leistung überhaupt nicht dargestellt wurde.

    • @Ulrich Frank:

      Hey Ulrich Frank, chapeau! Was da läuft ist ein Wahnsinn aber leider läuft der auch in vielen Köpfen unser Mitbürger. Ich werde demnächst meinem Wahlkreis-Abgeordneten von der CSU, Hr. Dr. P. Ramsauer, schreiben, ob er ggf. zu viel am Piano saß [was ich prinzipiell ja begrüße] und dabei seine Pflichten als Bundesverkehrsminister einen Hauch vernachlässigt hat :-)

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Ok, er hat Mist gebaut.

     

    Aber er ist auch ein sympathischer Kerl mit guten Umgangsformen.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Nett daß Sie hier einen Spaß machen wollen.

       

      Von einem hochdotierten "Technikvorstand" erwartet man dann allerdings mehr als Umgangsformen.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Ulrich Frank:

        Ich schrieb ja, dass er Mist gebaut hat.

         

        Und ich schrieb "auch".

         

        Also: Immer schön geschmeidig bleiben.

         

        Meines Erachtens gibt es in diesen Gefilden nicht übertrieben viele, die zumindest ich in dem beschriebenen Sinne wahrnehmen könnte.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Er kneift.

    Und Grube bekommt auch nichts gebacken.

     

    BER sollte schon mal ein Altenteil vorbereiten für gescheiterte Gescheite.

    • @571 (Profil gelöscht):

      Mehdorn hat es vorgemacht.

  • Das ist das neue Managmentrotationsprinzip clever von den Grünen als sie noch am Anfang und frisch, jung Grün waren abgeschaut und nun für kapitalistische Zwecke mißbraucht.

    Managerpoker, Manager ausgewechselt und das Spiel kann von vorne beginnen.

    Klappt bei der Bahn schneller als man gucken kann.

    Wenns wieder eng wird beginnt das Spiel von vorne.

    • @Rita Dütsch:

      Die Affinität zwischen Grünen und Management ist gut gesehen. Sie gilt auch hinsichtlich einer Fremdkapital - hier: Steuergelder - verspekulierenden Risikobereitschaft. Das politische Äquivalent des "Be happy and pay the bill" ist Winfrieds Kretschmanns Ausspruch: "der Käs ist gegessen" mit welchem er sich ein für allemal aus der politischen und administrativen Verantwortung gestohlen hat. Seine Vasallen in den anderen Ämtern folgen ihm servil.

  • Es gibt doch auch noch gute Nachrichten zu Stuttgart 21. Ich hoffe, dass dies nur der Anfang vom Ende ist. Weiter so und oben bleiben.