Verwaltungsreform und Haushaltskürzungen: Wegners Wunderwelt

Die Linksfraktion diskutiert auf ihrer Zukunftskonferenz über die Probleme in den Bezirken. Klar ist: Die Verwaltungsreform ist kein Allheilmittel.

Ein Stempel vom Bezirksamt Spandau ist im neueröffneten Bürgeramt im Bezirk Spandau im Staaken-Center zu sehen

Endlich neue Stempel: Im September eröffnete Senatschef Kai Wegner ein neues Bürgeramt in Spandau Foto: Jörg Carstensen/dpa

Berlin taz | Bekanntlich war Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) mit dem Versprechen angetreten, Berlin jeden Tag ein Stück besser zu machen. „Wir verstehen uns als eine gemeinsame Verwaltung und arbeiten kooperativ zwischen den Bezirken und der Landesverwaltung, um die Aufgaben der Stadt gemeinsam zu bewältigen“, heißt es im schwarz-roten Koalitionsvertrag. In der Realität ist davon nichts angekommen, findet Manuela Schmidt, die bezirkspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus.

„Willkommen in der wundersamen Welt des Kai Wegner“, sagte Schmidt am Freitagnachmittag bei einer Zukunftskonferenz ihrer Fraktion und des und das linksparteinahen Kommunalpolitische Forum im Landesparlament.

In dieser wundersamen Welt des Senatschefs sollen die Bezirke trotz Haushaltskürzungen, Sanierungsstopps und unabhängig von den ihnen zur Verfügung gestellten Mitteln alles schaffen können. Das sei utopisch. Ziel der Konferenz unter dem Motto „Kohle, Kiez und Kopfsteinpflaster“ war es dann auch, praktikable Lösungsansätze für die Probleme in den Berliner Bezirken zu erarbeiten.

Bereits zu Beginn der Veranstaltung machte die Linke klar, dass die Verwaltungsreform von Wegner kein Allheilmittel für die diversen Baustellen in den Bezirken sein werde. So gebe es zwar Orte für Kiezkultur und freie Träger, die die Bezirke für die An­woh­ne­r*in­nen lebenswert gestalten. „Aber es braucht auch die Mitarbeiter in der Verwaltung“, sagte Schmidt und spielte damit auf die Schwachstellen der umstrittenen Verwaltungsreform an, die die Aufgabenverteilung zwischen Bezirken und Land Berlin neu ordnen will.

Soziale Arbeit und öffentlicher Dienst

Auf dem Podium saßen neben Schmidt Ver­tre­te­r*in­nen zivilgesellschaftlicher Initiativen, des Berliner Hauptpersonalrats und der sozialen Träger. Für letztere sprach Anne Jeglinski, Leiterin der Geschäftsstelle Bezirke, Innovation und Wirkung beim Paritätischen Wohlfahrtsverband.

Mit Blick auf neue Rahmenbedingungen für die soziale Arbeit warnte Jeglinski vor einem „Klima der Entsolidarisierung“, das es zu verhindern gilt, und forderte, Armut wieder mehr zu politisieren. Ein großes Problem liege in der Strukturierung der freiwilligen sozialen Leistungen, also den staatlichen und kommunalen Leistungen, deren Landesmittel jederzeit gekürzt werden können.

Zudem seien Zuwendungsbescheide häufig auf nur ein Jahr begrenzt und bei den Zuschüssen herrsche eine generelle Ungewissheit. „Neue Projekte und Fördervorhaben werden zu spät oder gar nicht bewilligt. Es gehen unbesetzte Stellen und Mitarbeitende verloren“, sagte Jeglinski. Es brauche eine vorausschauende Anpassung der Zuwendungen, eine Sachkostenpauschale und längere Zeiträume bei der Zuwendungsförderung.

Daniela Ortmann, die Vorsitzende des Hauptpersonalrats Berlin, problematisierte die Personalausstattung im öffentlichen Dienst, die sich durch das massive Haushaltsdefizit weiter zu verschlechtern droht: „Wie soll man den Bürgern da noch verkaufen, dass der Staat für sie da ist?“

Für die vielen gesetzlichen Aufgaben gebe es schlichtweg nicht genügend Beschäftigte. Das betreffe nicht zuletzt den sozialen Bereich, etwa die Jugendämter, so Ortmann. Insgesamt sei die Bezahlung in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes zu schlecht, Arbeitsverhältnisse seien nicht hinreichend geschützt, auch sehe es bei den Karrierechancen mau aus.

Baustellen ohne Ende

Ähnlich vernichtend fiel die Bestandsaufnahme aus für das, was für Menschen mit Behinderungen in den vergangenen Jahren erreicht worden ist. „Wie lange dauert es, den U-Bahnhof Möckernbrücke barrierefrei zu machen?“, fragte Dominik Peter vom Berliner Behindertenverband in die Runde.

Bereits 2003 hatte die BVG mit den Planungen für einen Aufzug begonnen. Nach langem Hin und Her und einem kompletten Neustart nach Problemen mit der Denkmalschutzbehörde und dem Bezirk soll der Bahnhof jetzt bis 2027 barrierefrei werden. Das sind 24 Jahre. „Das ist nicht mehr vermittelbar und behinderte Menschen verlieren die Lust, sich zu engagieren“, so Peter.

Nicht besser stehe es um eine weitere Baustelle in den Bezirken, den kommunalen Wohnungsbau, befand Linke-Politikerin Katrin Lompscher. Die Ex-Senatorin für Stadtentwicklung bemängelte die Eigenkapitalausstattung, fehlendes Personal und eine generelle Geldknappheit bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen. „Sowohl in der Regierung als auch in der Opposition ist es nicht leicht, die Voraussetzungen für eine soziale Stadtentwicklung zu schaffen“, sagte Lompscher. Es brauche Eigenkapital bei den Wohnungsgesellschaften und die Verwaltung müsse funktionstüchtig gemacht werden, damit die Unternehmen ihre Aufträge umsetzen können.

Das „Schneller-Bauen-Gesetz“ des Senats nannte sie sichtlich unbegeistert ein „Kindersprachengesetz“. Stattdessen müsse Berlin sich besser organisieren, eine kollegiale Atmosphäre schaffen und sich mit den systemischen Ursachen des Wohnproblems befassen. Dass der private Wohnungsbau schwächelt, sei auch eine Chance, so Lompscher. Denn: „Der kommunale Wohnungsbau könnte dadurch richtig loslegen.“

Letztlich ging es der Linken aber nicht allein um Elendsbeschreibung. Vielmehr sollen aus den Ergebnissen der folgenden Workshops des sogenannten Zukunftsworkshops Schlussfolgerungen für Vorschläge der eigenen Fraktion gezogen werden.

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