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Verteidigungspolitiker Arnold"In drei Minuten beim Atomkraftwerk"

Rainer Arnold, SPD, hält nichts davon, ein entführtes Flugzeug abzuschießen. Jungs Vorstoß sei "ein Verfassungsbruch". Auch könnten Abfangjäger im kleinen Deutschland gar nicht schnell genug reagieren.

Daniel Schulz
Interview von Daniel Schulz

Herr Arnold, wenn morgen ein Flugzeug entführt würde und auf ein Atomkraftwerk zusteuerte, was würde passieren?

Rainer Arnold: Eine genaue Wiederholung dieses 9/11-Szenarios halte ich für äußerst unwahrscheinlich. Ein Passagier kann die Pilotenkabinen heute nicht mehr betreten, die Sicherheit wurde erheblich verbessert. In dem zweiten Punkt könnte der Innenminister ruhig noch etwas tun, bisher sind die Mitarbeiter an den Kontrollen nämlich unterbezahlt und das drückt die Motivation.

Im Interview: 

Rainer Arnold (57) ist der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Sie weichen aus.

Nein, denn diese Debatte ist größtenteils eine Phantomdiskussion. Deutschland ist ein relativ kleines Land mit vielen Ballungsräumen, da dauert es vom Frankfurter Flughafen mit einem Jumbojet drei Minuten bis zum nächsten Atomkraftwerk und 20 Sekunden bis in die Innenstadt. Bis die immer bereitstehenden Abfangjäger, die so genannten Alarmrotten, aufsteigen können, braucht es allein zehn Minuten. Wir können uns nur durch Prävention schützen, das Gerede über einen rechtzeitigen Abschuss nährt eine gefährliche Illusion.

Wenn der Fall wahrscheinlich ohnehin nie eintreten wird, was ist dann so schlimm an der Äußerung des Verteidigungsministers, er werde entführte Flugzeuge im Notfall abschießen lassen?

Ein Minister hat nicht das Recht, öffentlich einen Verfassungsbruch anzukündigen. Das ist schließlich nicht irgendein Stück Papier, sondern die Grundlage des Zusammenlebens in diesem Land.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von 2006 zwar eine ausdrückliche Erlaubnis zum Abschuss von Passagiermaschinen verboten. Es hat aber auch die Möglichkeit des "übergesetzlichen Notstands" offen gelassen. Hat Jung nicht einfach nur angekündigt, diese Möglichkeit im Zweifelsfall zu nutzen?

Nein, er hat angekündigt, auf jeden Fall die Erlaubnis zum Abschuss zu geben. Das widerspricht dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Natürlich kann es eine Situation geben, in der die Entscheidung, ob ein Flugzeug abgeschossen wird, vom Gewissen eines Ministers, vielleicht sogar eines einzelnen Piloten abhängt. Die Schwere dieser Entscheidung über das Leben mehrerer hundert Menschen wäre kaum vorstellbar - mit oder ohne Gesetz. Deshalb sollten wir uns an den Gedanken gewöhnen, dass es Dinge gibt, die sich nicht gesetzlich regeln lassen. Und die Union sollte diese Dinge auch nicht politisch instrumentalisieren, um ihr genehme Gesetze durchzudrücken.

Der Bundeswehrverband hat Piloten empfohlen, den Befehl zu verweigern, wenn Jung den Abschuss will. Soll das eine Lösung sein?

Ich unterstütze diese Aussage des Bundeswehrverbandes vollkommen. Denn was Jung gesagt hat, lässt nicht darauf schließen, dass er sich in angemessener Weise rechtlich, moralisch und politisch mit dieser schwierigen Frage befasst hat. Dem Befehl, der aus einer solchen Geisteshaltung entsteht, sollte kein Pilot folgen müssen.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ

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9 Kommentare

 / 
  • P
    Paul

    Hallo,

    abgesehen von der bereits angesprochenenen Problemen, dass hier Unschuldige getötet werden sollen, halte ich an so etwas vor allem das für eine Gefahr: Ein Spitzenpolitiker macht hier deutlich, dass es für ihn wichtigere Prioritäten als das Leben der Menschen gibt und das ist eine gefährliche Vorbildwirkung. Offensichtlich handelt es sich nicht um eine effektive Maßnahme zum Schutz von irgendwem, und auch Herr Jung weiß genau, dass so etwas in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland nicht wirksam ist.

    Die CDU verfolgt eher die Strategie, für den Fall, dass es keinen Terroranschlag gibt, sagen zu können, dass ihre Terrorschutzmaßnahmen gegriffen haben und für den Fall, dass es einen gibt, sagen zu können, die anderen haben nicht genug auf Sicherheit gesetzt. Und wieder wird niemand darüber reden, wie ineffektiv die von der CDU vorgeschlagenen Maßnahmen sind. Das Problem ist, dass hier planlos vorgegangen wird. Man rühmt sich als besonders sicherheitsliebender Politiker, weil man z. B. vorschlägt, die Computer zu überwachen. Dass jeder Möchtegern- Hacker weiß, wie er das knacken kann, interessiert scheinbar keinen. Installieren Sie mal auf einem Computer, der keine Festplatte hat, sondern von CD gestartet wird, eine Überwachungssoftware. Meinen Sie, Terroristen schrecken vor derartigen PCs zurück? Aber im Vordergrund steht weiter der besonders sicherheitsliebende Politiker, was in der entsprechenden verdummten Klientel natürlich ankommt. Traurig, dass Politiker für Wahlkampferfolg so weit gehen.

  • WS
    Wolf SIngle

    Guten TAZ ,

     

    für mich ein weiteres Beispiel für "der Staat als Terrorist" .

    Zuerst natürlich ,die Bildsprache:

    Das von Terroristen in Gewalt gebrachte Zivilflugzeug , mit welchem Selbige versuchen

    Druck zu erzeugen,um gewünschte Forderungen

    zu erzwingen.

    Das ganze erscheint zunächst als Drohung , ob eine Tat erfolgt ,bleibt bis zur Tat ungewiss.

    Der Staat hingegen würde durch einen Einsatz der

    gedachten Art schon vor der tatsächlich geschehenen Tat , durch den Abschuss ,zumindest ursprünglich, Nicht-Beteiligter Passagiere und des Flugzeugpersonals ,

    Bürger,welche keine Straftat begangen haben ,präventiv,

    "abschiessen".Hier also wird der Staat zur handelnden ,gewalttätigen "Person" ,zum Terroristen. Wie so oft sehe Ich hier wieder eine Symptom-Bekämpfung des eigtl. Problems auf Kosten

    der Bürger und der freiheitlichen Rechte die Ihm eigtl.

    zustehen sollten, anstatt sich mit dem Problem selbst auseinanderzusetzen.

    Frei nach dem Motto:

    "Abschiessen statt denken " .

     

    Vielen Dank,

    Wolf Single.

  • OE
    Ottmar Eberling

    wer schützt uns eigentlich vor solchen Ministern? - Schäuble und Jung gehören "abgeschoßen"

     

    kann ich den Artikel auf einer eigenen homepage veröffentlichen?

  • P
    Paul

    Hallo,

    abgesehen von der bereits angesprochenenen Problemen, dass hier Unschuldige getötet werden sollen, halte ich an so etwas vor allem das für eine Gefahr: Ein Spitzenpolitiker macht hier deutlich, dass es für ihn wichtigere Prioritäten als das Leben der Menschen gibt und das ist eine gefährliche Vorbildwirkung. Offensichtlich handelt es sich nicht um eine effektive Maßnahme zum Schutz von irgendwem, und auch Herr Jung weiß genau, dass so etwas in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland nicht wirksam ist.

    Die CDU verfolgt eher die Strategie, für den Fall, dass es keinen Terroranschlag gibt, sagen zu können, dass ihre Terrorschutzmaßnahmen gegriffen haben und für den Fall, dass es einen gibt, sagen zu können, die anderen haben nicht genug auf Sicherheit gesetzt. Und wieder wird niemand darüber reden, wie ineffektiv die von der CDU vorgeschlagenen Maßnahmen sind. Das Problem ist, dass hier planlos vorgegangen wird. Man rühmt sich als besonders sicherheitsliebender Politiker, weil man z. B. vorschlägt, die Computer zu überwachen. Dass jeder Möchtegern- Hacker weiß, wie er das knacken kann, interessiert scheinbar keinen. Installieren Sie mal auf einem Computer, der keine Festplatte hat, sondern von CD gestartet wird, eine Überwachungssoftware. Meinen Sie, Terroristen schrecken vor derartigen PCs zurück? Aber im Vordergrund steht weiter der besonders sicherheitsliebende Politiker, was in der entsprechenden verdummten Klientel natürlich ankommt. Traurig, dass Politiker für Wahlkampferfolg so weit gehen.

  • WS
    Wolf SIngle

    Guten TAZ ,

     

    für mich ein weiteres Beispiel für "der Staat als Terrorist" .

    Zuerst natürlich ,die Bildsprache:

    Das von Terroristen in Gewalt gebrachte Zivilflugzeug , mit welchem Selbige versuchen

    Druck zu erzeugen,um gewünschte Forderungen

    zu erzwingen.

    Das ganze erscheint zunächst als Drohung , ob eine Tat erfolgt ,bleibt bis zur Tat ungewiss.

    Der Staat hingegen würde durch einen Einsatz der

    gedachten Art schon vor der tatsächlich geschehenen Tat , durch den Abschuss ,zumindest ursprünglich, Nicht-Beteiligter Passagiere und des Flugzeugpersonals ,

    Bürger,welche keine Straftat begangen haben ,präventiv,

    "abschiessen".Hier also wird der Staat zur handelnden ,gewalttätigen "Person" ,zum Terroristen. Wie so oft sehe Ich hier wieder eine Symptom-Bekämpfung des eigtl. Problems auf Kosten

    der Bürger und der freiheitlichen Rechte die Ihm eigtl.

    zustehen sollten, anstatt sich mit dem Problem selbst auseinanderzusetzen.

    Frei nach dem Motto:

    "Abschiessen statt denken " .

     

    Vielen Dank,

    Wolf Single.

  • OE
    Ottmar Eberling

    wer schützt uns eigentlich vor solchen Ministern? - Schäuble und Jung gehören "abgeschoßen"

     

    kann ich den Artikel auf einer eigenen homepage veröffentlichen?

  • P
    Paul

    Hallo,

    abgesehen von der bereits angesprochenenen Problemen, dass hier Unschuldige getötet werden sollen, halte ich an so etwas vor allem das für eine Gefahr: Ein Spitzenpolitiker macht hier deutlich, dass es für ihn wichtigere Prioritäten als das Leben der Menschen gibt und das ist eine gefährliche Vorbildwirkung. Offensichtlich handelt es sich nicht um eine effektive Maßnahme zum Schutz von irgendwem, und auch Herr Jung weiß genau, dass so etwas in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland nicht wirksam ist.

    Die CDU verfolgt eher die Strategie, für den Fall, dass es keinen Terroranschlag gibt, sagen zu können, dass ihre Terrorschutzmaßnahmen gegriffen haben und für den Fall, dass es einen gibt, sagen zu können, die anderen haben nicht genug auf Sicherheit gesetzt. Und wieder wird niemand darüber reden, wie ineffektiv die von der CDU vorgeschlagenen Maßnahmen sind. Das Problem ist, dass hier planlos vorgegangen wird. Man rühmt sich als besonders sicherheitsliebender Politiker, weil man z. B. vorschlägt, die Computer zu überwachen. Dass jeder Möchtegern- Hacker weiß, wie er das knacken kann, interessiert scheinbar keinen. Installieren Sie mal auf einem Computer, der keine Festplatte hat, sondern von CD gestartet wird, eine Überwachungssoftware. Meinen Sie, Terroristen schrecken vor derartigen PCs zurück? Aber im Vordergrund steht weiter der besonders sicherheitsliebende Politiker, was in der entsprechenden verdummten Klientel natürlich ankommt. Traurig, dass Politiker für Wahlkampferfolg so weit gehen.

  • WS
    Wolf SIngle

    Guten TAZ ,

     

    für mich ein weiteres Beispiel für "der Staat als Terrorist" .

    Zuerst natürlich ,die Bildsprache:

    Das von Terroristen in Gewalt gebrachte Zivilflugzeug , mit welchem Selbige versuchen

    Druck zu erzeugen,um gewünschte Forderungen

    zu erzwingen.

    Das ganze erscheint zunächst als Drohung , ob eine Tat erfolgt ,bleibt bis zur Tat ungewiss.

    Der Staat hingegen würde durch einen Einsatz der

    gedachten Art schon vor der tatsächlich geschehenen Tat , durch den Abschuss ,zumindest ursprünglich, Nicht-Beteiligter Passagiere und des Flugzeugpersonals ,

    Bürger,welche keine Straftat begangen haben ,präventiv,

    "abschiessen".Hier also wird der Staat zur handelnden ,gewalttätigen "Person" ,zum Terroristen. Wie so oft sehe Ich hier wieder eine Symptom-Bekämpfung des eigtl. Problems auf Kosten

    der Bürger und der freiheitlichen Rechte die Ihm eigtl.

    zustehen sollten, anstatt sich mit dem Problem selbst auseinanderzusetzen.

    Frei nach dem Motto:

    "Abschiessen statt denken " .

     

    Vielen Dank,

    Wolf Single.

  • OE
    Ottmar Eberling

    wer schützt uns eigentlich vor solchen Ministern? - Schäuble und Jung gehören "abgeschoßen"

     

    kann ich den Artikel auf einer eigenen homepage veröffentlichen?