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Verteidigungsminister unter DruckSchadensersatz gefordert

Neues Ungemach für de Maizière: Die eigene Koalition bremst den Kauf von 176 Panzerwagen. Zudem werden Regressforderungen wegen des Euro-Hawk-Debakels laut.

Euro Hawk-Drohne auf dem Fluhafen in Jagel, Schleswig-Holstein. Bild: dpa

BERLIN dpa | Nach dem Stopp des Drohnenprojekts „Euro Hawk“ verlangen Abgeordnete von Koalition und Opposition Regress von den Herstellern. „Es kann nicht sein, dass wir zahlen und das Flugzeug wird nicht zugelassen. Kein vernünftiger Mensch kauft etwas, das nicht zugelassen ist“, sagte der FDP-Haushaltspolitiker Jürgen Koppelin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS).

Inzwischen rückt ein weiteres ins Stocken geratenes Millionenprojekt des Verteidigungsministeriums in den Fokus. Der geplante Erwerb von 176 gepanzerten Fahrzeugen vom Typ „Eagle V“ für rund 109 Millionen Euro liegt teilweise auf Eis.

Im Bundestag-Haushaltsausschusses hatten Union und FDP Mitte Mai die Anschaffung zum Teil gestoppt, obwohl die Bundesregierung den Bedarf bestätigt und in einer Ausschreibung bereits den günstigsten Anbieter ausgewählt hatte. Darüber berichtete am Samstag auch der Berliner Tagesspiegel.

Der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle bestätigte, dass mit schwarz-gelber Mehrheit beschlossen wurde, zunächst nur 100 Fahrzeuge zu kaufen – mit der Option, die restlichen 76 zu einem späteren Zeitpunkt nachzuordern.

Phase zum Nachdenken

Im Vorfeld seien sehr viele Fragen aufgetaucht, sagte Barthle der Nachrichtenagentur dpa. Daher habe man sich für eine weitere „Nachdenkphase“ entschieden. Der zuständige Berichterstatter der Grünen, Tobias Lindner, äußerte die Befürchtung, dass der veränderte Auftrag nun womöglich noch einmal komplett neu ausgeschrieben werden müsse.

Bei der Vergabe hatte sich der amerikanische Rüstungskonzern General Dynamics gegen das deutsche Konsortium aus Rheinmetall und Krauss-Maffei durchgesetzt. Die Schweizer General-Dynamics-Tochter Mowag hatte auch schon das Vorgängermodell „Eagle IV“ produziert, das die Bundeswehr unter anderem in Afghanistan zum Schutz deutscher Soldaten einsetzt.

Spekulationen, wonach Schwarz-Gelb dem deutschen Hersteller noch einmal eine zweite Chance habe eröffnen wollen, bezeichnete Barthle als „Fehlinterpretation“.

Mittwoch gibt es einen Bericht

Das Beschaffungsprogramm für die Aufklärungsdrohne „Euro Hawk“ hatte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) vor gut zwei Wochen wegen massiver Probleme bei der Zulassung für den europäischen Luftraum und einer drohenden Kostenexplosion gestoppt. Seinen Bericht dazu will er am kommenden Mittwoch dem Verteidigungs- und dem Haushaltsausschuss präsentieren.

Auch der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold forderte Schadenersatz: „Wenn die Industrie nicht die notwendigen Nachweise liefern kann, müssen wir sie in Regress nehmen.“ Omid Nouripour, Obmann der Grünen im Verteidigungsausschuss, kündigte an: „Wir werden alles dafür tun, dass der Steuerzahler nicht auf der Rechnung sitzen bleibt.“

Nach Angaben Koppelins, Arnolds und Nouripours in der FAS ist nach dem Euro-Hawk-Vertrag die Industrie für die Zulassung der Drohne verantwortlich.

Noch bestehende Rechtsansprüche

Die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff schloss personelle Konsequenzen im Verteidigungsministerium nicht aus. De Maizière warf sie im Tagesspiegel vor, das Parlament in die Stopp-Entscheidung nicht rechtzeitig einbezogen zu haben. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, verlangte „eine eindeutige Darlegung, ob und welche finanziellen Rechtsansprüche heute noch bestehen“.

SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte es in der Welt „unwürdig, dass ein Bundesminister sich weigert, dem Parlament Rechenschaft abzugeben, und auf Zeit spielt“.

Rückendeckung bekam de Maizière von Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP): „Es ist gut, dass der Bundesverteidigungsminister nicht nach vorne prescht, sondern erst einmal recherchiert und versucht, den Sachverhalt so aufzuklären, dass er ihn komprimiert darstellen kann“, sagte Niebel der Welt am Sonntag.

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