Verstoßene Diktatorenfreunde: Nicht mal einen Mord wert
Wenigstens umbringen hätte man ihn noch können. Warum es tragisch ist, dass Putins Kritiker Beresowski nicht durch fremde Hand starb.
„Wer das Ohr des Präsidenten verliert, verliert auch schnell alles andere.“ So nüchtern kommentierte der russische Journalist Vadim Niktin den Tod des „Originaloligarchen“ Boris Beresowski.
Die Gerüchte, der abtrünnige Geschäftemacher habe in den Tagen vor seinem Tod noch das Verzeihen von Staatschef Wladimir Putin gesucht, weisen in diese Richtung: Seit seinem Gang ins Londoner Exil im Jahr 2000 hatte sich der ehemals „graue Kardinal“ des Kremls als Vorkämpfer der Freiheit in Russland geriert – ohne den geringsten Erfolg.
Durch Leute wie Beresowski bekommt die Demokratie ein Schwächlingsimage: Wenn der Diktator nicht mehr auf mich hört – dann erst werde ich zum Kritiker seiner Herrschaft. Es ist da auch schon egal, ob es, wie im aktuellen Fall, um die nicht länger erteilte Lizenz zum Ausplündern geht; oder wie einst bei Beresowskis Vorgänger Leo Trotzki um Differenzen über den einzig wahren Weg zum Sozialismus. Wenn Stalin nicht so impulsiv gewesen wäre: Statt eines Eispickels in Trotzkis Kopf hätten es Machtentzugsdepressionen und ein anschließender Herzifarkt auch getan.
Dass es eine Persönlichkeit erschöpft und schließlich aushöhlt, wenn sie Gutes tun will, aber sich gezwungen sieht, den Bösewicht zu geben, ist bekannt; umgekehrt gilt aber auch: Wem Demokratie ein Leben lang nur Mittel zum Zweck war, den wird der Kampf um sie letztlich den Lebenswillen kosten – dass er eben den verloren habe, erzählte Beresowski noch am Tag vor seinem Tod einem Reporter. Und da man nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen der britischen Polizei annehmen kann, Beresowski sei eines natürlichen Todes gestorben, muss man sogar noch weitergehen: Wäre Beresowski tatsächlich einem Anschlag zum Opfer gefallen – der Oligarch hätte das als einen letzten Liebesdienst Putins begriffen, als ein Zeichen der Gnade, zumindest des Interesses.
Schlachterei für den Ruhm
In der Geschichte gibt es Momente, wo alle wissen, dass das Alte nicht zu halten ist. Aber nicht jeder, der beim Neuen mitmischen will, wagt es, auch nach dieser Einsicht zu handeln. Cäsar etwa, Namensgeber aller Zaren, hatte seinen Gegner zwei Dingen voraus: Er scherte sich nicht um scheinbar unumstößliche Regeln der Politik – so ließ er die Gallier, die Rom nichts getan hatten, massenhaft abschlachten, um sich Ruhm, Geld sowie eine auf ihn eingeschworene Soldateska zu sichern. Nicht zuletzt aber war Cäsar ein Meister im Vergeben. Wer sich ihm unterwarf, durfte immer mit Schonung rechnen.
Als sein ärgster Gegner Pompeius nicht durch die Gnade des „wilden Tieres“ (Cicero über Cäsar) weiterleben wollte, musste er bis ans Ende der Welt fliehen, um schließlich von Duodezfürsten ermordet zu werden, die sich bei Cäsar lieb Kind machen wollten: Julius soll geweint haben, als er das ihm übersandte Haupt des Pompeius auspackte. Putin hat gegen eine Überführung der sterblichen Reste Beresowskis in die heimische Erde nun anscheinend auch nichts mehr einzuwenden.
Aber warum in die Ferne schweifen: In jedem zeitgenössischen Betrieb gibt es einen oder einige, die beim morgendlichen Meeting Fundamentalopposition nur deswegen zelebrieren, um wieder ein wenig Aufmerksamkeit von oben zu bekommen, ein bisschen mehr als dieses Der-schon-wieder-Stöhnen oder, im schlimmsten Fall, einfach ein Lachen.
Am Ende aber geht man doch am besten zum Italiener: „Die Macht reibt nur den auf, der sie nicht hat“, hat der Altmeister des im dunklen Feld zwischen in- und ausländischen Diensten, Mafia und Kirche beheimateten Politbetriebs, Giulio Andreotti, festgehalten. Und dass er dabei wohl nur Talleyrand zitierte – mit solchen Petitessen kann sich nur aufhalten, wer statt mitreden nur noch mosern darf.
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