Versorgungskrise in Venezuela: Frischmilch? Schon lange nicht mehr

Um beim Einkaufen in Caracas bestimmte Produkte zu bekommen, braucht man viel Zeit. Oder viel Geld. Die Versorgung stockt seit Monaten.

In Deutschland steht man an der Supermarktkasse in der Schlange. In Venezuela vor dem Supermarkt. Bild: reuters

CARACAS taz | Zügig bewegt sich der Einkaufswagenkorso vor dem Gran Abasto Bicentenario voran. Der große staatliche Supermarkt, nur einen Steinwurf von der Plaza Venezuela entfernt im Zentrum der Hauptstadt Caracas, ist ein beliebter Einkaufsort. Hier gelten die staatlich festgesetzten Preise. Supermarktbelegschaft und uniformierte SoldatInnen sorgen dafür, dass diese an die KundInnen weitergegeben werden.

„Wenn wir drin sind, stellen wir uns gleich in die nächste Schlange.“ Oscar Morales kommt regelmäßig ins Bicentenario. „Obst, Gemüse, Brot, Reis, Linsen und Bohnen kriegst du überall.“ Problematisch seien Zucker, Mehl, Speiseöl, Frischmilch, Butter, Kaffee sowie Fleisch und Huhn zu günstigen Preisen. „Wo es das gibt, stehen die Leute Schlange.“ Venezuelas Bevölkerung leidet seit Monaten unter Versorgungsproblemen. Laut offizieller Statistik fehlen immer vier von zehn Produkten.

Eine halbe Stunden später sind wir drin. „Dorthin, da ist die Schlange zu den sensiblen Produkten“, schmunzelt der 66-Jährige. Die Schlange führt zu einem getrennten Bereich. Hier geben Angestellte zwei Pfund Margarine, zwei Pfund Kaffee (à 24 Bolívares, etwa 2,75 Euro), zwei Kilo Zucker, zwei Liter Speiseöl pro Person heraus. Mehl gab es letzte Woche, beim Wort Frischmilch erntet Oscar ein Lächeln. Dafür kann er noch zwei gefrorene Hühner und 4 Kilo gefrorenes Rindfleisch mitnehmen.

„Alles was du hier sonst nicht siehst, kriegst du auch anderswo nicht. Aber nimm den Zucker“, sagt Oscar und rechnet vor: Das Kilo kostet im Bicentenario 6,50 Bolívares, also etwa 75 Cent. Im Mercal, einer ebenfalls staatlichen Einkaufskette, sind die Preise zudem subventioniert und das Kilo kostet 3 Bolívares, sei aber nur selten zu kriegen. In den privaten Supermärkten sei mindestens 25 Bolívares zu bezahlen. „So ist es bei allen sensiblen Produkten und hier in der Hauptstadt haben wir es noch gut.“ Kein Vergleich zur Versorgungslage im Landesinnern.

Die Kaufkraft schwindet

Oscar macht sich seinen eigenen Reim auf die Engpässe. „Fast alle Nahrungsmittel hier sind Importe. Die gibt es nur gegen harte Dollar und davon haben wir anscheinend immer weniger.“ Der Rentner hat sich in die Kassenschlange eingereiht. Auf dem Band wird die Einhaltung der Menge pro Person kontrolliert. Dem strengen Blick der Uniformierten hinter der Kassiererin entgeht kein Kilo zu viel. Zwei Stunden dauert Oscars Einkaufstour. „Normal“, sagt er.

Bis vor einem Jahr kam er mit seiner Rente noch bis zum Monatsende. Jetzt unterstützt ihn sein Sohn. Das Einkommen sei nicht weniger, aber die Kaufkraft schwindet. „Laut unserer Zentralbank haben wir die weltweit höchste Inflationsrate.“ Für das Statistikamt gebe es dennoch immer weniger Armut. „Dass wir alle am Abrutschen sind, wird dort nicht sichtbar.“

Der Automercado San Lorenzo im gehobenen Stadtteil Chacao wird von der zahlungskräftigen Nachbarschaft gern aufgesucht, denn bei San Lorenzo soll es alles geben, was es woanders nicht gibt. Hier liegt die irische Kerrygold-Butter für gute 300 Bolívares (34,30 Euro) das Pfund im Kühlregal. Zucker wurde gerade in Zweikilopaketen angeliefert und wird zu erstaunlich günstigen 13 Bolívares das Kilo abgegeben.

Doch das Image von San Lorenzo hat Kratzer bekommen. Mehl gebe es nur wenig und Frischmilch habe sie schon lange nicht mehr gesehen, sagt die junge Angestellte einer Kundin. Sie solle es doch ein paar Straßen weiter in der Filiale des gehobenen Supermarkts Gama Excelsior versuchen. Hat sie schon, gibt die Frau zurück, dort gebe es keine Schlangen, aber auch keinen Zucker, kein Mehl und keine Frischmilch.

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